Die Ganze Pennschnecke

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Die Pennschnecke Jonathan

Es war einmal ein Wesen, das war so ganz anders als all die anderen.
Dieses Wesen war eine Schnecke und hieß Jonathan.
Was an Jonathan besonderes war?
Jonathan war eine richtige Pennschnecke.

Ja, das ist gar nicht so leicht zu erklären, aber ich versuche es einmal:
Wie wir alle wissen sind Schnecken sehr langsame Tiere.
Kaum ein Tier ist so langsam wie eine Schnecke.
Es gibt viele Tiere, die bewegungslos in der Gegend herumliegen, auf etwas warten, horchen, oder sich einfach von der Sonne bescheinen lassen.
Aber wenn sie wollen oder wenn sie müssen, dann können die meisten von ihnen blitzschnell um die nächste Ecke verschwunden sein. Schnecken brauchen dafür mindestens die doppelte Zeit,
wenn nicht sogar noch mehr.
Und Jonathan die Pennschnecke erst recht, denn Jonathan ist die langsamste Schnecke der Welt.
Das glaubten jedenfalls alle, die Jonathan zu der Zeit kannten, als diese Geschichte spielt.
Jonathan bewegte sich damals nämlich fast gar nicht vom Fleck.
Er lag den ganzen Tag da und schlief, schlief in einer Tour.
Selbst wenn er Hunger hatte, wachte er deshalb noch lange nicht auf.
Er streckte einfach seine klebrige Zunge aus dem Mund...
wartete, bis sich irgendein Pflanzensamen darauf niederließ...
wartete weiter, bis aus dem Samen etwas gewachsen war,...
z.B. Blumenkohl und dann zog er die Zunge wieder zurück in den Mund und hatte erst mal wieder etwas zum Verdauen.
Wer weiß, wie lang so ein Stück Samen braucht, um zu einem richtigen Blumenkohl heranzuwachsen, der kann sich denken, was für eine ungeheure Pennschnecke Jonathan war.

Wenn man ihn da so liegen sah, richtig putzig sah das aus.
Er war eingerollt wie eine Mohnschnecke vom Bäcker. In der Mitte ragte das kleine Schwanzende in die Luft, die Augen waren zu, die Fühler lagen schlapp bei Nachbar Löwenzahn auf dem grünen Blatt wie auf einem Kopfkissen und er atmete leicht.
Wenn man ganz genau hinhörte, und das Ohr ganz dicht an Jonathan heranbrachte, konnte man ihn leise schnarchen hören:
Man hört ein kleines Schnarchen.

Hatte er aber gerade etwas gegessen, dann hörte er sich so an:
Man hört Schmatzen/schlucken rülpsen.

Wenn man ihn da so liegen sah, wie er ohne Unterlass weich und leicht atmete, konnte man selber ganz schön müde werden:
Man hört ein leises Gähnen.

Ab er all das, was wir bis jetzt über diese außergewöhnliche Pennschnecke erzählt haben ist nur die halbe Wahrheit.
Nur die eine Hälfte.
Ja, er schlief die ganze Zeit, alles ging unglaublich langsam vor sich, er schnarchte und aß langsamer als ein Blumenkohl wächst, aber das war nur das, was man von außen sehen konnte.



Was Jonathan selbst, während er da so schlief alles dachte und träumte, das konnte man von außen nicht sehen;
kein Stück.
Selbst Jonathan konnte sich nicht alles merken, was da in seinem Kopf vorging. Was er hörte, was er spürte, war er roch, während er schlief;
kein Stück.
Wie kleine Blitze schossen ihm die Gedanken durch den Kopf und er hörte jede Menge Geräusche von draußen, von dem Bauerhof, auf dem er wohnte.
Da waren vor allem die Tiere.

Einige waren dabei, die Jonathan ganz besonders gut leiden konnte.
Immer wenn er sie hörte, machte er sich aus den Stimmen und Geräuschen kleine Geschichten, so wie diese:

Die Kuh grüßt den Maulwurf

Kuh:
Muh – Guten Morgen Maulwurf.
Maulwurf (stolpert übern spitzen Stein):
Wer – äh wer sprist da ?
Kuh:
Muh – die Kuh natürlich.
Maulwurf:
Welße Kuh ?
Hund:
Wau – Jaul – welche Kuh – jaul – blöde Frage.
Ziege (spricht meckernd):
Neee, gute Frage.
Huhn:
Toooktoktok – der Maulwurf ist dumm, took
Ziege:
Neee, iihr seeid dumm, der Maulwurf ist blind und er kann doch nicht sehen, ob er die braune oder die Schwarzweißkuh vor sich hat.
Farben kann man nicht hören und auch nicht riechen.
Kuh:
Muh – ach so – na dann, Guten Morgen Maulwurf.
Maulwurf:
Wer – äh – wer sprist da ?
Kuh:
Ich bins, die braune Kuh.
Maulwurf:
Morgen braune Kuh –
und tßüß, iß muss gleiß wieder ßurück in meinen Tunnel, graben, graben,..
Kuh:
Tschüß Maulwurf – muh.

Jonathan hörte auch noch ganz andere Sachen.
Z. B. die Vögel, die auf dem Hof wohnten Und von denen sich einige kleinere neben seinem Schlafplatz in einer alten blauen Kutsche eingenistet hatten.
Aber die Vögel mochte Jonathan nicht so besonders, denn die großen unter ihnen fraßen auch schon mal gerne eine Schnecke wie ihn.
Er lag allerdings so regungslos da, dass ihn die meisten von ihnen für ein Stück Wurzelholz hielten und achtlos über ihn hinwegflogen.
Einmal,-
Jonathan hatte gerade einen dicken Husten und zuckte dabei immer ein wenig zusammen,
- einmal war ein Storch aus großer Höhe auf der kleinen Wiese gelandet, wo Jonathan schlief und wollte sich ein wenig Reiseproviant einfangen.
Er stakste mit seinen langen Beinen durch das hohe Gras und klapperte mit seinem Schnabel.
Wer weiß, was passiert wäre, wenn nicht Zicki die Ziege vorbeigekommen wäre.
Sie hatte gerade den Zaun vom Gemüsegarten nach einer Lücke abgesucht.
Die Bäuerin würde sie zwar verjagen, wenn sie sie hier fände aber die Gurken, Tomaten, Bohnen und all die anderen Gemüse waren die Gefahr wert. Sie schmeckten allemal besser als jeden Tag nur grünes Gras.
Na ja, egal. , Zicki war auf der Wiese am Gemüsegarten und sah wie der Storch landete:

Der Storch macht Ärger

Zicki:
Määä was suchst du den hier ?
Storch:
dddda ggggeht ddddich gggar nnnichhts aan.
Zicki:
heeeij, niicht soo uunfreundlich !
Storch:
bbblödde Zzziege.
Zicki:
Du suchst wohl Streit, was ?
Storch:
Tttroll dddich.
Zicki:
Heee, Streit kannst du haben...

sagte die Ziege, beugte den Kopf und rannte, mit den Hörnern nach vorn auf den Storch zu, der schnell die Flügel ausbreitete und sich in die Luft schwang.
Und das war gut so, denn als Zicki auf den Boden zurückschaute, sah sie die Pennschnecke Jonathan vor sich im Gras liegen.
Jonathan hatte gerade einen kräftigen Hustenanfall. So wie Jonathan da husteste und zusammenzuckte hätte ihn der Storch bestimmt auch bald entdeckt und wahrscheinlich einfach, schwups, aufgefressen.
Zicki die Ziege war sehr überrascht
– ein solches Tier hatte sie noch nicht gesehen.
Eine Schnecke – gut – davon gab es viele.
Ohne Schneckenhaus – auch gut, das kommt vor.
Aber eingerollt wie eine Katze, schlafend und sogar mit Husten –
das war neu für Zicki.

Seitdem war Zicki öfter mal vorbeigekommen, um nach der merkwürdigen Pennschnecke zu sehen.
Zu gerne hätte sie sie einmal wach angetroffen und ein wenig mit ihr geredet. Aber das geschah erst viel später.
Trotzdem mochte Zicki die kleine, niedliche Pennschnecke und so kam sie ein – zweimal in der Woche vorbei.
Einmal legte Zicki Jonathan sogar ein Stück Apfel auf die ausgestreckte Zunge und schaute einen ganzen Nachmittag lang zu, wie er die Zunge wieder zurück in den Mund zog.
So war Zicki die einzige auf dem gesamten Hof, die von der Pennschnecke Jonathan auf der Wiese mit der alten blauen Kutsche hinter dem Gemüsegarten der Bäuerin wusste.
Sie behielt ihr Geheimnis für sich, weil sie sich denken konnte, dass so eine Pennschnecke keine großen Gesellschaften gebrauchen konnte.



Aber auch Zicki wusste nicht, was da alles in Jonathans kleinem Schneckenkopf vor sich ging, dass er genau hörte, wie der Wind über Gräser strich ...
Man hört den Wind

Wie die Bäuerin nach ihrer Tochter rief...
Bäuerin:
Maria, komm Essen und bring Milch und Eier mit.

Wie die Schweine quiekten, wenn es Futter gab...
Man hört das Schwein quieken

Und außer den Tieren gab es auch noch die ganzen Maschinen auf dem Hof.
Die Säge, die Pumpe, die Häckselmaschine und den Trecker.
Ja der Trecker, das war Jonathans großer Traum, vielleicht war es sogar sein größter Traum.
Aber das kommt später.
Zuerst erzählen wir mal eine von den vielen Geschichten, die Jonathan aus den Tierstimmen und Geräuschen erfand und träumte...
und die ihm selbst auch besonders viel Spaß machten.

Vielleicht war Jonathan sogar irgendwann einmal über das Zuhören des Windes in den Johannisbeerbüschen eingeschlafen, hatte daraus eine spannende Geschichte geträumt und war nicht wieder aufgewacht, weil er noch viel mehr Geschichten erleben wollte, wer weiß.

Oder vielleicht wollte er ja aufwachen und konnte nicht, weil er gerade wieder an einer besonders spannenden Geschichte träumte und über das ganze Erfinden einfach vergaß, dass er ja eigentlich vorgehabt hatte wieder aufzuwachen, wer weiß.
Auf jeden Fall hatte sein Schlafen irgendetwas mit den Geschichten zu tun und deshalb erzählen wir mal eine:

Der Kampf auf dem Misthaufen
oder
Willibald Wurm fliegt


Eines schönen Morgens trafen sich Frau Scharrer, das dickste Huhn auf dem Hof, und ihre ganz private Freundfeindin Frau Gacker am matschigen Fuß des stinkenden Misthaufens.

Frau Gacker:
goack, schoade, koine Wüama in Sicht.
Frau Scharrer:
Woo sind sie bloß, ja wo denn bloß?
F.S.:
Oaho, guten Morgen beste Freundin.
F.G.:
Oaho, guten Morgen meine Liebe, schon gefrühstückt?
F.S.:
Oh, danke, ich hatte einen ganz fetten, leckeren Wurm heute morgen, und selbst?
F.G.:
Joa, ich hatte auch ein dickes Vieh und hervorragend gewürzt.

Wie die beiden Hühner sich da so gegenseitig, ohne mit der Wimper zu zucken anlogen, kam oben auf dem Misthaufen der Regenwurm Willibald ans Tageslicht.
Er wollte nachschauen wie das Wetter so war.

Willibald:
Fau an, wie fön ef regnet. Fwar nur ein bifchen. Aber waf follf, daf reift beftimmt für ein kleinef Bad. Alfo rauf auf der Erde und rein inf Naff.

Und so zwängte sich Wurm Willibald aus dem Dreck heraus.
Sein Kopf war gerade zwei Zentimeter in der freien Luft, das Hinterteil hatte sich auch schon frei gearbeitet, da entdeckte ihn unten die Frau Gacker.

F.G.:
Ja schaun sie nur, mein neues Federkleid,
frisch geputzt und eingefettet, da kommt kein Regen durch, da bleibt selbst der kälteste Wind draußen vor der Tür und das Beste: es ist bis zum Hals geschlossen.

Dabei reckte sie den Kopf nach oben, damit die andere auch ja alles bewundern konnte und sah Willibald direkt ins Auge.

F.G.: Oh – ähem, tja gute Frau Scharrer, genug geschwätzt, ich muss weiter, bis dann. Schönen Tach noch.

Sprach sie, drehte sich auf der Kralle um, und ging schnurstracks auf den Hühnerstall zu, aber nur um die gute Frau Scharrer zu täuschen.
Die war auch wirklich ganz schön überrascht.
Aber sie dachte sich gleich, dass an dem plötzlichen Abschied der Frau Gacker irgendetwas faul sein musste;
sie war ja nicht umsonst das dickste Huhn auf dem Hof.

F.S.:
Joaa, was hat sie bloß, so plötzlich....

Und weil sie sehr mißtrauisch war, schaute sie sich überall um.

F.S.:
Das muss doch einen Grund haben, wo denn bloß, wo bloß...

Und natürlich, nicht lang und auch sie entdeckte Wurm Willibald, wie er da dick und fett versuchte, oben auf dem Misthaufen ans Tageslicht zu kommen.
Frau Gacker war gerade hinter der ersten Misthaufenecke verschwunden, da nahm die dicke Frau Scharrer ihre Krallen in die Hand und watschelte so schnell sie konnte den steilen Misthaufen hinauf.
Dabei war sie sehr vorsichtig, damit sie nicht ihr frischgeputztes Federkleid in dem Dreck beschmutzte, aber doch so schnell, daß sie bald außer Atem kam.
Oben angekommen nahm sie sich nicht einmal die Zeit richtig Lutf zu holen. Sie stürzte sich gleich auf das erstbeste Stück, das wie Wurm aussah, hackte mit dem Schnabel hinein und zog aus Leibeskräften daran.

Willibald wußte zuerst gar nicht wie ihm geschah.
Ein heftiger Schmerz biss ihn zuerst in seinem Schwanzende. Dann zwackte es ihm in den Nacken und sofort wurde in beide Richtungen gezogen,
daß er sehr überrascht war.
Die Lösung war ganz einfach:
Die beiden hungrigen Hühner Frau Scharrer und Frau Gacker hatten Wurm Willibald vorne und hinten gepackt und zogen ihn nun äußerst unsanft und ganz und gar aus der Erde heraus.



F.G.:
Hmmm, guter Wurm, fetter Wurm.
F.S.:
Hmmm, gutes Frühstück.
F.G.:
Was ist denn da ?
F.S.:
Warum denn bloß ?

Sie zogen beide so sehr sie eben konnten.
Sie stemmten sich mit den Füßen gegen den Misthaufenboden und legten sich ganz weit zurück.
Und doch gelang es keiner von ihnen auch nur ein wenig mehr als den allerersten Biss ins Maul zu kriegen.
Kein Wunder – wenn die eine den Schnabel geöffnet hätte, um weiter zuzubeissen, hätte die andere ihr ja sofort den ganzen Wurm weggezogen –
und das ging ja nicht.
Mit vollem Schnabel begannen sie nun, die jeweils andere wüst zu beschimpfen.

F.G.:
Lass los, ich hab ihn zuerst gesehen.
F.S.:
Lass du los, ich hab zuerst gebissen.
F.G.:
Das ist mein Wurm, fieser Piepmatz
F.S.:
Ich hab ihn zuerst gehabt, blöde Schnepfe.
F.G.:
Hupfdohle
F.S.:
Schleiereule
F.G.:
Legehenne
F.S.:
Masthuhn
F.G.:
Hahnentritt

Willibald versuchte die gefährliche Situation möglichst leicht zu nehmen.
Er entspannte sich. Die Streckmassage tat seinem Rücken am Anfang sogar richtig gut.
Dann aber zerrten die Zankhühner so heftig, dass er all seine Kraft zusammennehmen musste, um nicht mitten durch gerissen zu werden.
So sehr er sich aber auch bemühte, es dauerte nicht lange und die Frauen Gacker und Scharrer hatten ihn doppelt so lang gezogen, wie er eigentlich war.
Seine zarte Haut drohte jeden Augenblick aufzuspringen
– doch da geschah etwas unerwartetes
– Frau Scharrer musste niesen:

F.G.:
Ha, ha, ha, hahahaha haatschi

und ließ Willibalds Hinterteil aus dem Schnabel fahren.
Wurm Willibald war aber gespannt wie ein Flitzebogen und so schnappte er blitzschnell der Frau Gacker ins Gesicht.
Man hört ein Klatschen WW:
Aua.
F.G.:
Ooohh

Wie die Frau Scharrer verlor die Frau Gacker ebenfalls das Gleichgewicht.
Beide ruderten wild mit den Flügeln in der Luft herum, konnten aber nicht verhindern, dass sie rückwärts den Misthaufen hinabfielen.
Dabei flutschte der Frau Gacker der Wurm Willibald aus dem Schnabel und flog in hohem Bogen quer über den gesamten Hof.
Im Flug konnte er noch sehen, wie die beiden gierigen Hühner rückwärts den matschigen, dreckigen, stinkenden Misthaufen herunterpurzelten.
Die eine rechts, die andere links herunter, und wie sie sich mit den Kuhflatschen, der Eselskacke, dem Ziegenmist, dem Schweinedreck und den Pferdeäpfeln ihr wunderbar sauberes Federkleid völlig beschmierten und unten angekommen, aus vollem Hals begannen, zu schimpfen.
Man hört das Schimpfgegacker und Abgang der Hühner.

Willibald flog unterdessen weiter über den Hof.
Vom Misthaufen ging es über das Plumpsklo hinüber, am Pferdestall vorbei, über den Hut des Bauern, der gerade vom Trecker stieg und sich über den fliegenden Wurm nicht wenig wunderte.
Jonathan die Pennschnecke, die das alles hier ja nur träumte verweilte ein wenig länger bei dem Trecker als es die Naturgesetze zulassen würden.
Wurm Willibald drehte in seinem Traum eine Ehrenrunde um die verehrte Maschine und noch eine und noch eine.
Und flog dann wieder abwärts über die Gemüsebeete, gerade noch über den Zaun und landete schließlich auf der Wiese, wo die blaue Kutsche stand.
Sein Schwung wurde zuerst von einem großen, starken Grashalm gebremst, der sich langsam zur Erde beugte und Willibald sanft auf dem weichen, warmen Rücken der eingerollten Pennschnecke Jonathan legte.
Jonathan merkte sehr wohl, dass da etwas auf ihm landete, aber deshalb wachte er noch lange nicht auf
– im Gegenteil - der völlig erschöpfte Willibald sah die Pennschnecke, und wurde plötzlich selber fürchterlich müde und so schliefen die beiden den Rest des Tages zusammen.
Von solchen Geschichten träumte Jonathan am Tag bestimmt 10 Stück und wenn er genug geträumt hatte, dann erfand er sich noch mal so viele hinterher.


Wenn wir alle Geschichten erzählen wollten, dann würden wir darüber sicher steinalt werden. Aber eine oder zwei kriegen wir noch hin oder ?

Die nächste Geschichte, die ich erzählen möchte, die hat Zicki Jonathan erzählt.
Er hat sie also gar nicht richtig geträumt.
Aber wie bei allen Geschichten, die man liest oder hört, kann man nicht sicher sein, ob Jonathan nicht doch etwas hinzugeträumt hat.
Als Zicki begann, die Geschichte zu erzählen, drehte er sich auf jeden Fall ganz ganz langsam um sich selbst. Längs.
Es dauerte fast den ganzen Vormittag bis er schließlich auf dem Rücken lag.
Dabei öffneten sich seine kleinen Schneckenäuglein einen Spalt breit, so daß Zicki glaubte, er sei tatsächlich wach geworden.
Aber auch wenn sie einen Spalt breit auf waren, war das längst nicht so, dass Jonathan dabei wach wurde, z.B. wie ihr, wenn ihr morgens die Augen aufmacht und merkt, dass der Traum der da eben noch an euch vorbeihuschte jetzt zu Ende ist. Und ihr bemerkt, wo ihr seid und bald auch wisst welch ein Tag heute ist.
Nein, Jonathan hörte zwar was auf dem Hof geschah. Aber selbst mit den spaltbreit offenen Augen träumte er weiter.
Nur diesmal sah er den blauen Himmel über sich und mittendrin, riesengroß, größer noch als eine Wolke, oder war es eine Wolke, nein riesengroß, leuchtend bunt krähte der Hahn da oben am Himmel und gleich noch einmal, riesengroß.

Und dann gab es plötzlich einen Tumult im Schweinestall – wahrscheinlich kam der Bauer gerade herein und füllte die Futtertröge mit aufgekochten Kartoffelschalen, Kleie und den üblichen Essensresten und die Schweine drängelten sich an den Gattern.
Jonathan hörte dabei nicht nur die Worte mit denen Zicki die Geschichte erzählte, er sah sie vor sich – wie im Kino auf der Leinwand auf der größten Kinoleinwand die man sich überhaupt denken kann, oben am Himmel.

Soll ich sie erzählen, die Geschichte von Roderich dem Warzenschwein ?
Ok :


Roderich das rasende Warzenschwein.

R.:
quiieeek. QuiiieeeeK
(Tumult mit Schweinen)
"Wer war das, wer hat mir das angetan, wer wer wer quiiiek",
kreischte es eines Morgens aus dem Schweinestall.
Der ganze Hof wurde mit einem Schlag wach von dem Geschrei. Im Schweinestall war der Teufel los oder besser Roderich war los – er tobte
R:
"Wie kommt die Warze da auf meine Nase ?
Was hat das Ding da zu suchen ?
Verdammt und zugenäht, verflixt und Klettverschluss",
fluchte er, raste kreuz und quer durch den Stall und benahm sich dabei wie ein angestochenes Wildschwein, so aufgebracht war er.

Na ja, ganz ohne Grund tat er das natürlich nicht - erst vorgestern hatte der stolze, propere Eber Roderich der schönen Sau Hanna aus dem Nachbarpferch ein wunderschönes Ständchen gequiekt. Hanna hatte dem Liebeslied mit großem Wohlwollen zugehört und hatte Roderich danach ganz genau unter die Lupe genommen.
H:
"Dreh dich", hatte sie gesagt, H:
"ich will wissen, ob du dich selbst in Schuß halten kannst."
Jonathan sah wie Roderich Hanna den Schweinehintern zuwandte, wie Hanna alle Körperteile peinlichst genau beäugte und beschnüffelte.
H:
"Zeig deine Hufe – die Unterseite bitte – äh zwischen den beiden Zehen, da musst du ein wenig aufpassen, da sitzt Dreck dazwischen, aber sonst nicht übel für ein Schwein, vor allem für einen Eber.
Jetzt das wichtigste, das Gesicht."
Und Roderich hatte ihr den Kopf zugedreht und ihr die empor gestreckte Schweinsnase gezeigt.
Hanna war mit dem eigenen Rüssel über sein ganzes Gesicht gefahren und hatte alles haarklein berochen und abgetastet.
Dann war ein Moment gekommen, wo die beiden sich Nase an Nase, Rüssel an Rüssel ganz still in die kleinen Schweinsäuglein geguckt hatten und Hanna war dann mit dem Kopf durch die Pferchplanken geschlüpft und hatte ihm einen dicken Schmatzer auf die Nase gesetzt.

Der Eber Roderich war zwei Tage lang, Liebeslieder trällernd durch den Stall stolziert und war nicht zu bremsen gewesen – er war das schönste Schwein im Stall.
Und jetzt das –

Eine Warze auf der Nase.
Jetzt konnte ihn Hanna bestimmt nicht mehr leiden und alles war vorbei.
R:
"Ich will das Ding nicht auf meiner Nase haben, quiiieeek!!!"
Roderich rieb sich an der Stallwand die Nase wund aber die Warze blieb drauf, mitten drauf auf der Nase.
R:
"Ich kann so nicht weiterleben", schrie er, R:
sie wird mich fertigmachen.quiieek. Warzenschwein wird sie mich nennen. Sie wird mich auslachen und nie wieder, nie wieder wird sie mir einen Kuß auf die Nase geben, quiie, quiieek."

Der ganze Hof war in Aufruhr bei soviel Lärm und Geschrei und alle Tiere waren auf dem Weg zum Schweinstall.
Einige waren schon dort angekommen. Jonathan sah wie Frau Gacker, Frau Scharrer, der Hahn, das Pferd, die SchwarzweißKuh und die braune Kuh sich vor dem Stall versammelten.
Von unten hob sich ein Haufen Erde vor der Stallwand und der Maulwurf kam hervor.
Selbst ein paar Kaninchen waren herbeigehoppelt um zu sehen was da los war.
Drinnen versuchten die anderen Eber den rasenden Roderich zu besänftigen.
Ortlef, der älteste hätte es beinahe auch geschafft, wenn nicht der freche Reginald von nebenan den Kopf durch die Gitterstäbe geschoben und gerufen hätte:
Reg:
"Hanna, Hanna komm schnell her, da nebenan ist ein Neuer eingezogen, ein dickes fettes Warzenschwein."
Das war zuviel für Rodreich.
Er bekam einen puterroten Kopf, was bei einem rosafarbenen Schwein gar nicht so einfach ist – schrie,
R:
"das geht nicht so weiter – ich werde dem ein Ende bereiten." nahm Anlauf und rannte mit einem irre lauten "quiiiiiek" es war sogar noch lauter – auf die Stallwand zu und brach mit dem Kopf durch die Bretter der Wand – so viel Schwung hatte er.

Aber das war´s dann auch. Der Kopf war durchgebrochen und alle versammelten Tiere wichen drei Schritte zurück.
Aber der Rest von Roderich, der Rest vom Schwein blieb in der Bretterwand stecken.
Roderich kam nicht vor und nicht zurück.
F.S.:
"Der ist mit dem Kopf durch die Wand, toook."
sagte Frau Scharrer.

F.G.:
"Aber wo ist der Rest ?"
fragte Frau Gacker.
SWKuh:
"Noch im Stall, wo er hingehört",
frotzelte die SchwarzweißKuh und die Kaninchen stupsten sich gegenseitig mit der Nase an und hielten sich den Bauch vor Lachen:
Kann:
"Wie eine Dampfwalze, haha, wie ein Vorschlaghammer, hihi, wie ein Rammbock hoho..."
witzelten sie durcheinander.

Roderich hatte inzwischen aufgehört zu versuchen, seinen Kopf wieder zurückzuschieben und nun saß er hier fest.
Er hörte all die Frotzeleien und sah wie sich die Kaninchen vor Lachen kugelten und das Pferd und die Kuh über beide Backen grinsten.
R.:
"Das ist nicht fair, das ist nicht fair, nur weil ich eine Warze auf der Nase habe braucht ihr mich nicht auszulachen, das ist nicht fair."
Und vor lauter Verzweifelung kullerten zwei Schweinstränen aus seinen blauen Äuglein.
Die Tiere sahen sich fragend an.
Pf:
Warze, was für eine Warze",
fragte das Pferd.
R.:
"Na hier auf meiner Nase. Reginald hat mich schon ein Warzenschwein genannt und Hanna, meine Liebste wird mich nie, nie, nie wieder auf die Nase küssen.
Kbraun:
"Na wenn das alles ist, was soll ich denn da bei meinen Zecken im Fell sagen",
sagte die braune Kuh. Pf.:
Oder ich mit den Schwielen an meinen Schultern",
sagte das Pferd.
FG:
"Oder ich mit meinen Hühneraugen",
sagte Frau Gacker.
MW:
"Und ich hab ein blaues Auge, weil ich gestern vor die Stalltüre gelaufen bin",
sagte der Maulwurf. und meine Frau mag mich trotzdem.
Roderich konnte das nicht beruhigen.
R:
"Du bist ja eh blind, die Frau Gacker hat ihre Hühneraugen bitter nötig und ein Pferd mit Schwielen an der Schulter ist keine Schande aber ein Schwein, das eine Warze mitten auf der Nase sitzen hat ist ein Warzenschwein."

Z:
"Na und ?"
sagte da eine Stimme, die verdammt nach Zicki klang aber obwohl Jonathan mit seinen halb offenen Augen den ganzen Himmel absuchte, was ziemlich lange dauerte, konnte er die Ziege nirgendwo entdecken.
R.:
"Wie na und ?"
sagte da auch der Kopf von Roderich, der immer noch in der Bretterwand des Stalls steckte.
Z.:
"Einfach so. Na und ?" sagte die Stimme.
R.:
Wer bist du und wo bist du ?"
fragte Roderich und auch die anderen Tiere schauten sich suchend um.
Z:
"Hier, neben dem Schweinestall.
Der Bauer hat mich hier festgebunden, damit ich nicht in den Gemüsegarten kommen kann.
Pf.:
"Zicki"
sagte das Pferd und schaute um die Ecke des Schweinestalls herum.
PF.:
"Zicki die Ziege - Warum na und ?"
Z.:
"Macht mich los, dann sag ich ´s euch."
Schnell hoppelten die Kaninchen zu der Ziege und nagten an dem Seil, das Zicki festhielt.
Als Zicki vor Roderich stand sagte sie, und Jonathans Herz machte als er Zicki da oben am Himmel sah einen kleinen Freudensprung,
Z.:
Ein Warzenschwein",
sagte Zicki,
"ist ein ganz besonderes Schwein."
R.:
"Wieso ?"
wollte Roderich sofort wissen und vor lauter Neugier hörte er auf zu weinen.
Z.:
"Weil, "
und Zicki machte eine lange Pause,
"weil es bei uns hier nur ganz ganz wenige davon gibt und wenn dann nur im Zoo.
MW:
"Was ist ein Zoo?"
wollte der Maulwurf wissen,
FS.:
"So eine Art Tier-Theater für die Menschen",
sagte Frau Scharrer.
MW.:
"Und was ist ein Theater ?"
fragte der Maulwurf nach."
FG.:
"Ein Ort für ganz berühmte Leute."
sagte Frau Gacker.

R.:
"Ihr meint....."
stotterte Roderich,
"ein Warzenschwein ist etwas ganz besonderes ?"
SWK:
"Na ja, auf jeden Fall sehr selten",
sagte die SchwarzweißKuh. R.:
"Wirklich ?"
Roderich schaute die Tiere ganz erwartungsvoll an. Die sahen nach links, sahen nach rechts, sahen Roderich an und nickten, dreimal,
R.:
"Das muß ich sofort..."
Noch ehe er den Satz beendet hatte war Roderichs Kopf aus der Stallwand verschunden und die Tiere, und Jonathan natürlich auch, sahen nur noch ein Schweinskopfgroßes Loch in der Wand.
Sie kamen heran, drängelten sich um das Loch und linsten hindurch.
Dort sahen sie Roderich mit stolzgeschwellter Brust, wie er von Hanna aus dem Nachbarpferch einen Kuss auf die Warze auf seiner Nase gesetzt bekam.
Das Bild von Hanna und Roderich, sowie das schwarze Loch wurden für Jonathan am Himmel immer kleiner, bis es ein winziger schwarzer Punkt geworden war. Aber da lag Jonathan schon wieder auf dem Bauch und er schlief wie immer noch eine Weile.



Oja, da gab es noch so viele Geschichten, die Jonathan träumte.
Da war z.B. Erwin der Igel, der seinen Winterschlaf mit Jonathan teilte oder Sarah die wunderschöne Libelle, Wiglaf der Sperling, Dörte der Wattwurm auf Weltreise oder Jonathan die Rennschnecke,
aber wie gesagt, wenn wir alle Geschichten erzählen wollten, dann würden wir darüber steinalt werden.
Warum aber eigentlich nicht. Steinalt werden ist doch nichts schlimmes. Im Gegenteil vielleicht ist es ja sogar etwas ganz tolles.
Egal, eine Geschichte muß auf jeden Fall noch erzählt werden.
Das ist die Geschichte mit dem Trecker.
Denn die Geschichte mit dem Trecker, die ist wirklich passiert.
Also los.

Das ist die Geschichte mit dem Trecker.
Das war eigentlich gar keine richtige Geschichte, denn die hat Jonathan sich nicht ausgedacht und er hat sie auch nicht geträumt, nicht richtig jedenfalls.
Die Geschichte mit dem Trecker, die ist nämlich wirklich passiert.

Jonathan die Pennschnecke und sein Ritt auf dem Trecker

Alles begann damit, dass Zicki die Ziege an jenem Tag, irgendwann am späten Vormittag aufstand, aus dem Stall trottete und vor dem Misthaufen ihren Frühsport machen wollte.
Dazu kam sie aber nicht mehr, denn vor Schreck und Staunen vergaß sie ihre Turnübungen.
Der Misthaufen war nämlich weg – futschikato.
Stattdessen stand ein großes Segelschiff an seiner Stelle.
Mit großen Augen sah Zicki sich um.

Zicki: Määäh.. was ist denn hier passiert?

Und richtig, nicht nur der Misthaufen hatte sich verändert.
Der ganze Hof war herausgeputzt als ginge es darum einen Schönheitswettbewerb zu gewinnen.
Überall blinkte es, jede Ecke glänzte pikobello und was nicht blitzsauber war, war mit Girlanden, Luftschlangen, Laternen, Blumensträußen und Früchten geschmückt. Und auf die Spitze des Misthaufens war eine dicke Stange gesteckt, die mit buntem Papier eingewickelt war. Das sah wirklich beinahe aus wie der Schiffsmast eines Segelschiffes.

Zicki: Määä – was soll das bloß werden ?

Aber da der Misthaufen nicht antwortete, und sie auch von selbst nicht drauf kam, ging sie die Tiere fragen.

Zicki: Hee – SchwarzweißKuh, weißt du was hier los ist ?
Kuh: Muh – lass mich in Ruh.
Zicki: Hee – warum so schlechte Laune ?
Kuh: Muh – der Bauer hat die Kuh, er hat die braune Kuh geholt. Das heißt nichts gutes, muhh.
Zicki: Du meinst, es gibt ein Festmahl und die braune Kuh soll der Braten sein?
Kuh: Was denn sonst? Muh
Zicki: Neee, das gibt es nicht. Wenn heute Festtag ist, dann hätten sie die Kuh schon vor drei Tagen holen müssen – nee, neee, so schnell wird keine Kuh zum Braten.

Jetzt hatte Zicki die Schwarzweißkuh ein wenig beruhigt. Aber sie wusste immer noch nicht, warum der Hof in Feierstimmung war.
So ging sie herum und fragte die Hühner. Die Klatschtanten müssten doch Bescheid wissen.

F. G.: Tooook, weiß ich doch nicht, die feiern ja eh ohne uns.
F.S.: Tooktok, ich weiß auch nicht, aber heute hat die Bäuerin sogar mein frisch bezogenes Heubett nach Eiern durchsucht. Das muss schon eine ganz besondere Feier sein.
Zicki: Und du Hahn, weißt du etwas.
Hahn: Kakakeinnne Aaaaahnuuung.

Sie fragte das Pferd.
Pferd: Weihfs nichhht, abherrh fschauh mahhl, ichh bhin fhrischh ghestriehghelth, sheith dhreih Wochhhen dafs erfsthe Malhl. Soghar der Schwhanz, schauh mahl, dieh fschöhne Fschleifhe.

Wieder nichts, sie fragte die Gänse.

Gänse: Intressiert uns nicht, kümmer dich um deinen eigenen Kram.

Sie fragte im Kaninchenstall.

Kaninchen: Pffrach uns nift, pfirr fissen niffts.

Und sie fragte im Schweinestall.

Schwein: Grunz, grunz, uns sagt keiner was, von uns erfährt auch keiner was.

Aber niemand wusste, was eigentlich los war.

Zicki beschloss, am Bauernhaus selbst nachzuschauen. Das war nicht ungefährlich, denn immer wenn der Bauer die Ziege in der Nähe des Bauernhauses sah, schlug er ihr mit dem Stock so feste auf den Rücken, dass es reichlich zwickte.
Er glaubte nämlich, sie wolle die Blumen im Vorgarten fressen, was ganz und gar nicht immer stimmte. Na ja egal, Zicki wollte endlich Bescheid wissen und ging hin.
Vorsichtig, damit der Bauer sie nicht entdeckte lugte sie um die Hausecke und sperrte die Ohren auf.
Da stand die braune Kuh und der Bauer hing ihr gerade an der Kehle, aber was tat er da?

Bauer: So, jetzt habens wir es gleich – ruhig Julante.
Kuh: Muh
Bauer: Ruhig
Bäuerin: Ich glaube, das war keine gute Idee mit der Kuh. Glaubst du sie verträgt sich mit dem Pferd ?
Bauer: Dafür werde ich schon sorgen. Wenn wir langsam genug fahren, dann wird es schon gehen.

Fahren ? Kuh und Pferd zusammen? Und beide so feierlich geschmückt?
Zicki konnte sich keinen Reim auf all das machen.

Bauer: So, die hängt auch. Julante, sag mal nein, schüttele mal den Kopf.
Kuh: Muh (Glocke bimmelt)
Bäuerin: Laß den Unfug, hol lieber die Kutsche und spann die beiden an, langsam wird es Zeit für die Kirche –
Maria, bist du fertig?
Maria: Moment Mama, die Schleppe hängt noch nicht am Kleid.

Jetzt war Zicki ganz verwirrt.
Kutsche? Schleppe am Kleid? Zeit für die Kirche?
Das gab doch alles keinen Sinn. Oder doch – ja klar .
Die Bauerstochter Maria sollte heute heiraten.
Dafür zog sie ein Brautkleid mit Schleppe an, fuhr mit der Kutsche zur Kirche und dann wurde die ganze Hochzeitsgesellschaft auf den Hof geladen.
Deshalb war alles so geschmückt.
Und das Pferd und die braune Kuh waren deshalb so fein gemacht, weil sie die alte blaue Kutsche zur Kirche ziehen sollten
– jetzt war alles klar- so war das.

Bauer: Fertig Frau, ich hol die Kutsche und das Pferd.

Jetzt ging der Bauer da um die Ecke, wo Zicki stand und lauschte.
Sie presste sich ganz dicht an die Hauswand, damit er sie nicht entdeckte – und – hatte Glück.
Der Bauer war so in Eile, dass er vorüber ging, ohne sie zu bemerken.

Zicki : Vielleicht weiß die braune Kuh ja wer der Bräutigam ist ?

Gerade wollte sie los, da hörte sie, wie der Bauer im Schuppen den Trecker anließ.
(Trecker wird angelassen)
Erst dachte sie sich nichts besonderes dabei, aber dann fiel es ihr plötzlich ein.

Zicki: Au weia, wenn der Bauer jetzt mit dem Trecker auf die Wiese hinter dem Gemüsegarten fährt. Vor der blauen Kutsche schläft doch die Pennschnecke.

Sie wagte gar nicht weiterzudenken. Die große Räder des Treckers würden vielleicht über Jonathan drüber fahren und dann...
Jonathan war in Gefahr, da musste etwas geschehen. Zicki drehte um und lief meckernd zum Gemüsegarten.

Jonathan die Pennschnecke schlief, wie immer. Aber seit einer Minute schlief die Penschnecke richtig aufgeregt.
Und zwar vor Freude.
Seit der Trecker im Schuppen tockerte, träumte Jonathan ungestüm und wild.
Wovon?
Na das war doch klar: er träumte von seiner Fahrt auf dem Trecker und kam gerade von ganz weit hinten am Horizont über das frischgemähte Stoppelfeld.

Als Zicki bei Jonathan ankam, war sie ganz außer Atem, aber es musste sein. So laut sie konnte meckerte sie ihn an.

Zicki: Heeeee, Jonathan, alte Pennschnecke. Wach auf, es wird höchste Zeit auf deinem Schneckenschleim davonzuglitschen.

Und tatsächlich, das unglaubliche geschah. Jonathan wurde ein ganz klein wenig wach, öffnete ein Auge und blinzelte Zicki an:


Jonathan: „Hää?
Zicki: Aufgewacht, du musst ganz schnell von hier fort. Es dauert keine Minute mehr, dann kommt der Bauer mit dem Trecker.

Als Jonathan das Wort „Trecker“ hörte, hörte er sofort auf, der Ziege zuzuhören
– er schloss die Augen wieder, kuschelte sich wieder ein und träumte sofort weiter an seiner Treckerfahrtgeschichte.
Dabei bekam er einen seligen Ausdruck um die Mundwinkel.
Zicki konnte meckern wie sie wollte, sie stupste ihn sogar mit dem Horn an.
Jonathan schlief fest und träumte. In seinem Traum malte er sich den Trecker in den schönsten Farben aus – Riesig große Räder - einen supergepolsterten Sitz, ein hohes Dach darüber - und an den Seiten und hinten bunte Scheiben,
durch die alles blau
und grün
und rot zu sehen war.
So groß und bunt war der Trecker, der da über das Feld näher kam.

Der Bauer setzte derweil rückwärts um die Ecke des Gemüsegartens und sah die Ziege Zicki vor der blauen Kutsche stehen.
Ah die würde schon verschwinden, wenn er näher kam.
Aber Zicki blieb stehen – komisch-

Bauer: He, hau ab da Zicki, mach Platz.
Zicki Neee, neee.
Bauer: Zur Seite da.
Na gut, dann fahr ich eben über dich drüber. (Treckergeräusch)
Ja gibt’s denn das, das Vieh bleibt stehen.
Ja muss ich denn erst selber kommen.

Er stieg vom Trecker herunter, nahm einen kleinen Stock vom Boden auf und ging drohend auf Zicki zu.

Zicki: Neee, neee.

Zicki machte kehrt und zog sich hinter die Kutsche zurück.

Bauer: Na also, tse, so was.

Sobald der Bauer aber wieder auf den Trecker stieg, kam Zicki wieder hervor und lief auf ihren alten Platz, direkt über Jonathan.

Bauer: Ja ist denn das die Möglichkeit, hat man so was schon gesehen, hau ab du Ziege.
Zicki: Nee,nee.
Bauer: Na warte, dir werd ich’s zeigen.

Er sprang mit einem Schrei von dem Trecker herunter und lief wie ein aufgeregtes Walross auf Zicki zu.
Die nahm sofort Reißaus.
Diesmal aber jagte der Bauer die Ziege nicht nur um die Kutschenecke, sondern quer über den gesamten Hof.

Bauer: Zicki, wirst du wohl stehen bleiben.
Zicki: Neee,neee.

In dem Traum, den Jonathan die Pennschnecke gerade träumte, waren all die Geräusche, die draußen in Wirklichkeit auch passierten.
Aber in dem Traum passierte natürlich etwas ganz anderes.
Hier kam der Treckerfahrer Jonathan gerade auf den Hof gefahren und alle schrieen und jubelten ihm zu. Und Jonathan hielt den Trecker erst einmal an, damit auch er den Leuten zuwinken konnte.

Völlig erschöpft kam der Bauer zurück und lehnte sich auf das Schutzblech des großen Treckerhinterrades.

Bauer: So ein Mist. Wir werden noch zu spät zur Kirche kommen.

Und er stieg wieder auf den Trecker, legte den Rückwärtsgang ein und wollte gerade die Kupplung lösen, da stand Zicki wieder an ihrem alten Platz.

Bauer: Verflixt und zugenäht. Was machst du Biest denn schon wieder da.
Zicki: Nee,nee.
Bauer: Jetzt ist aber Schluss. Jetzt fahre ich zur Kutsche. Und er gab Gas.
Zicki wusste sofort, dass jetzt nichts mehr half.
Es musste etwas geschehen oder Jonathan bekam ernsthafte Schwierigkeiten.
Sie dachte gar nicht erst nach und tat etwas, dass nicht nur Jonathans Leben rettete, viel besser noch, sie machte seinen größten Traum wahr.
Sie bohrte eines ihrer kleinen Hörner in den Boden unter der eingerollten Pennschnecke und warf den Kopf blitzschnell in den Nacken.
So wurde Jonathan in die Luft gehoben, flog in die Höhe und landete auf dem Schutzblech des großen Hinterrades.
Schnell sprang Zicki zur Seite und ließ den Trecker, und mit ihm den Bauern und Jonathan vorbei zur blauen Kutsche.

Jonathan träumte seinen Flug ganz anders.-
Er war mit dem Trecker auf den Hof gefahren und von allen bestaunt hatte er nicht auf den Weg geachtet. So fuhr der Trecker nur geradeaus und war über einen Holzbalken gefahren, der im Weg lag. Alle Räder hoben sich, ganz kurz nur, von der Erde ab und rumms, landete der Trecker wieder auf dem Boden.

Durch diesen Stoß, den ja in Wirklichkeit Zicki mit ihrem Horn verursacht hatte wurde die Pennschnecke Jonathan wach. Er lag, jetzt nicht mehr zusammengerollt, auf dem breiten Schutzblech und rieb sich die Augen.
Während der Bauer die Kutsche an der Treckerkupplung festmachte, sah sich Jonathan um.
Er lag auf dem Trecker, wie in seinem Traum und doch war alles ganz anders.
Die Farben leuchteten, die Sonne schien, er konnte die Auspuffgase riechen, der ganze Trecker ruckelte und zuckelte und schüttelte Jonathan so, dass er jetzt richtig wach wurde.
Als der Bauer wieder auf den Trecker stieg und losfuhr, war Jonathan gar keine Pennschnecke mehr.
Er war vollkommen wach, hellwach, wie eine ganz normale Schnecke.
Nur was hier geschah, war für eine Schnecke überhaupt nicht normal.
Jonathan bewegte sich, und zwar so schnell, wie keine Schnecke der Welt sich selbst jemals bewegen könnte.
Es war wie im Traum, aber es war Wirklichkeit.
Er sah, wie sich der Zaun vom Gemüsegarten bewegte – aber nein, er bewegte sich ja, - er fuhr Trecker.
Vor lauter Freude vergaß er alles Träumen und hörte und guckte und roch und spürte was da alles mit ihm und um ihn herum geschah.
Er fuhr um das Gemüsebeet herum, an der Scheune vorbei, auf die Ställe zu und alle standen sie da und schauten dem mutigen Jonathan zu, wie er Trecker fuhr.
Die Hühner, der Hahn, das Pferd, die Schwarzweißkuh, die Schweine, die Gänse, die Kaninchen und oben auf dem Misthaufen auch der Wurm Willibald.

Sie staunten zwar nicht nur wegen Jonathan, sondern vor allem wegen der blauen Kutsche, die sonst nie über den Hof fuhr. Aber das war aber so was von egal, dass wir es erst gar nicht richtig stellen wollen.
Und außerdem war da auch eine, die nur wegen Jonathan staunte und sich nur über ihn freute und das war Zicki, die Ziege.
Alle Tiere jubelten und das war das tollste für Jonathan.
Stundelang hätte er so weiterfahren können, aber er merkte doch wie sehr ihn das alles anstrengte. Schließlich war er ja bis vor kurzem noch eine richtige Pennschnecke gewesen und so lange Treckerfahrten nicht gewohnt.
Darum war er auch froh, als der Bauer den Trecker anhielt, um die braune Kuh und das Pferd vor die Kutsche zu spannen.
Plötzlich stand Zicki unten vor dem Trecker.

Zicki: Na, du Pennschnecke, da hast du aber noch mal glück gehabt.
Jonathan: Ja.?
Zicki: Gut, spring runter auf meinen Rücken. Ich bringe dich zurück zum Gemüsegarten.
Jonathan: Ich will nicht mehr schlafen.
Zicki: Warte ab. Bis wir da sind wirst du noch viel erleben.

Und so machte Jonathan an diesem Tag noch etwas, was noch keine Schnecke vor ihm getan hatte.
Er sprang.
Aus eigener Kraft ließ er sich vom Trecker gleiten und sprang der Ziege auf den Rücken.
Zicki trabte los. Als sie an der Wiese hinter dem Gemüsegarten ankamen war Jonathan schon fast wieder eingeschlafen. Aber wirklich nur fast. Denn der Ritt auf dem Ziegenrücken war für ihn fast genauso spannend gewesen wie die Fahrt mit dem Trecker.
Zicki legte ihn sanft ins Gras und wollte ihm schon ein Schlaflied singen... da merkte sie, dass Jonathan schon wieder eingeschlafen war.

Zicki: Ist halt doch ´ne richtige Pennschnecke.

Zicki ging zurück zu ihrem Stall und Jonathan träumte vom richtigen Treckerfahren und vom richtigen Ziegenrückenreiten und freute sich schon auf morgen

(benötigt eine App für RSS Feeds, z.B. Follower, Feedly, Reeder …)