Schöpfen

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Es ist knackig kalt, die Sonne strahlt vom Blauen Himmel, doch noch wärmt sie nicht.
Ich treffe C.K. in einem Essener TraditionsSzeneCafé. Kurz überlegen wir uns draußen in die Sonne zu setzen aber schnell wird klar, daß dieses SkifahrWetter ohne Bewegung kaum Gemütlichkeit verspricht.
Drinnen ist es in dem großen Wintergarten gleißend hell, warm und noch recht leer. Beste Bedingungen, die nächsten 2 Std zu verweilen.
Ich kenne C. seit langen Jahren aus ganz unterschiedlichen Zusammenhängen, mal nur betrachtend, wie im Duisburger Schauspiel, mal mitspielend, wie jetzt im Theater Freudenhaus. Sie spielt, walkt, rezitiert, produziert, macht Musik - ist in diversesten Gewerken unterwegs. Nach ausgiebigem Abgleich von Wetterempfinden, Befindlichkeit, naher Zukunft, nach Kaffeebestellung und Versicherung der ordnungsgemäßen Funktionalität des Aufnahmegerätes beginnen wir:

Warm up

Kann man Kreativität messen ?
Nein !
Warum nicht ?
Man kann alles messen, wenn man möchte. Man kann alles in Beziehung setzen zu etwas anderem und so gesehen kann man sie bestimmt messen, man könnte sie z.B. in eigenem Spaß messen, wenn man es da in Beziehung setzt wie alles, aber ich kenne keine Maßeinheit, ich kenne kein internationales Kreativitätsmessverzeichnis in dem ich die anlegen könnte.
Es gibt ja einen IQ, warum nicht auch einen KQ einen KreativitätsQuotienten ? Ich wüßte da gar nicht, beim IQ, das ist ja so´n "boh", der so´n "boh" auslöst oder auch´n "och" und das wär ja bei Kreativität noch am ehesten im Ergebnis, im out-put sowas wie ein "oh" oder ein "boh", so viele Bilder sind dabei rausgekommen – das wär dann ein Messen im Erfolg und da wären wir wieder bei der Beziehung in die das gesetzt wird.

Wie beschreiben die meisten Menschen, wenn sie mit kreativen Mitteln, ein Problem bewältigten ihre Befindlichkeit ?
Wenn sie es bewältigt haben sowieso gut.
Ich glaub das liegt aber eher am Bewältigen als an den Mitteln mit denen sie es bewältigt haben. Wobei die Freude vielleicht noch ein wenig größer ist weil ich jetzt einen kreativen Weg genommen habe, von dem ich ausgehen würde, daß sie ihn vorher nicht im Kopf gehabt haben, der jetzt ein neues, ein überaschendes Moment hat. Und das ist bei eine Problembewältigung nochmal schöner.
Demnach wäre Kreativität immer auch ein wenig abwegig vom eigentlich zu beschreitenden Weg ? Ja, sonst würde ich wahrscheinlich nicht auf die Idee kommen ihn kreativ zu nennen, weil ich das durchaus absetze von dem was so bekannt ist.
Also kreativ ist auch immer etwas neues finden ?
Wenn etwas geschöpft wurde gehe ich davon aus, daß es vorher nicht unbedingt da war, sonst müßte ich es nicht rausschöpfen – außer der Suppe, die schöpfe ich natürlich mit dem Löffel aus, aber vielleicht ist in der Suppe auch schon alles drin – aber ich schöpfe, ja.
Ein Schöpfungsprozess, also wenn man von der Schöpfung ausgeht, hab ich immer eher das Bild von einem Nebel, aus dem sich plötzlich ne Form bildet, oder wie Aphrodite aus dem Schaum steigt, wie aus etwas Undefiniertem oder Chaotischem eine Form oder Etwas sichtbar wird oder ich das als Etwas erkenne, doch wenn ich etwas ausschöpfe ist ja alles auch schon da und das Schöpfen ist nur im Herausheben, was irgendwie auch ganz lustig ist.
Und dann gibt es auch den Aspekt von schöpfen als etwas formen, also bist du selber ein aktiver Schöpfer, also formst du etwas oder findest du etwas – wahrscheinlich liegt das Schöpfen auch dazwischen, zwischen dem Finden und dem Formen.

Wann kann sich Kreativität am besten entfalten ?
Hast du eine Idee, was die Kreativität am meisten wachsen lässt ?
Ja, hab ich schon (auch wenn ich jetzt so lange zögere)........
Ich glaube es braucht eine Möglichkeit zu Chaos und Abwegigkeit, meint auch die innere Bereitschaft diffuses oder abwegiges einzulassen. Wobei das ja auch immer da ist, beim Rauschen oder so´n Undefiniertes ist bei allem was man macht ja per se da.
Es ist auch ein wenig zwischen Zulassen und Tun, man muß schon etwas verfolgen oder wie auch immer man das nennen mag.
Sowas zwischen Aktivem und Empfangendem. Das ist erstmal so eine innere Bereitschaft. Auch ein Vertrauen finde ich, weil unter einer Angst, "boh was wird das, Hilfe, Hilfe, Hilfe" entsteht selten was.
Aber das ist ja eigentlich auch das Schöne, wenn man sich nicht zu sehr auf das Ergebnis focoussiert sondern aufs Tun. Also brauch es auch letztendlich die Möglichkeit sich auf das Tun zu konzentrieren.
Und dazu gehören dann viele Dinge die deine Konzentration auf dein Tun behindern können, das hat bei manchen mit Zeitdruck zu tun oder anderen Mustern oder Verordnungen, die man sich selber gibt oder die von außen kommen.
Ich funktioniere aber auch sehr gut wenn es da einen Zeitdruck gibt oder Erwartungen von anderen oder die plötzliche Anwesenheit eines Zuschauers ist auch etwas, was das eigene Tun herausfordert, insofern ist es nicht zwangsläufig eine Behinderung oder Anforderung, vielleicht sogar das Gegenteil (ein Ansporn?).

Passt da der Begriff Erfahrung rein ?
Unbedingt, die ist hilfreich für das Vertrauen und der Sicherheit, daß etwas geschieht, was gehen wird. Das hätte ich als junge Frau nicht so gesagt, weil ich die da noch nicht hatte aber jetzt, das ist ja auch immer noch der Ausgangspunkt, wo man gerade steht.

Unterschiedliche Kunst = unterschiedliche Kreativität ?
Keine Ahnung. Kann ich gar nicht sagen. Weil unterschiedliche Kunst, wenn ich davon ausgehe, daß Kreativität immer was mit deinem Tun zu tun hat, braucht sie sicherlich unterschiedliche Anforderungen, weil jegliches Tun – ob ich nun mit Menschen rede, ob ich singe, ob ich ein Musikinstrument spiele, ob ich was maure, was male, was immer ich tue – mein Tun ist sehr unterschiedlich und auch Leute sind sehr unterschiedlich in dem was sie tun – insofern ist auch das, wo der kreative Moment für jeden einzelnen drinsteckt sehr unterschiedlich.

Braucht Kreativität Intelligenz ?
Wenn ich Intelligenz mit Beweglichkeit verbinde, ja und das tu ich. Das ist wie das Feuer, es ist ein Feuer, das Feuer ist beweglich, oder Wasser ist beweglich, sucht sich seinen Weg. Du reagierst ja auf die Welt in der du lebst und womit du umgehst.

Hast du ev. andere Worte dafür ?
Hmm, wenn ich jetzt sage Findigkeit, dann gibt das der Kreativität oder dem worüber wir sprechen auch nen bestimmten Touch. Das ist so die Freude am "Jah, ich habs gekriegt" oder die Möglichkeit, das Ziel gefunden zu haben.
Wie kann ich das beschreiben. Wenn dir, vor allem in Sprache kommt das vor, wenn dir eine Begrifflichkeit plötzlich eine neue Sicht auf etwas ermöglicht, dieser Erkenntnisgewinn darin, das ist – ja jetzt weiß ich wieder: wenn da etwas kommt, was keine Antwort auf eine Fragestellung, ein Problem ist, da passt der Begriff Findigkeit nicht, weil die Zielsetzung da mit drin ist. Und wenn man keine Fragestellung hat, hm, vielleicht ist sie aber auch immer drin in dem Prozess.
Aber Spielfreude ist es auch nicht unbedingt, obwohl die Freude da auch drin ist, in dieser Energie.

Kreativität und Ökonomie – passt das zusammen ?
Klar, warum nicht. Weil es haufenweise kreative Köpfe gibt, die ihre Kreativität auch ökonomisch ausleben, umsetzen und Ökonomie bestimmt ja auch zum großen Teil das alles. Jeder hat eine Wirtschaft in sich.
Die Ökonomie kann allerdings so verfasst sein, daß sie mit Kreativität gar nix mehr zu tun hat und sie komplett verhindert. Sie kann sie aber auch herausfordern.

Gibt es sowas wie negative Kreativität ?
Da ist die Frage, ob es positive Kreativität gibt.
Klar, ich unterscheide in positiv und negativ. Aber das Schaffen an sich muß keine positiven Auswirkungen haben.
Es gibt bestimmt viele Menschen die einen Haufen Kreativität in unvorstellbare Dinge setzen können.
Liegt die Kreativität nicht sowieso dahinter, also hinter der Absicht, die mit dem Schaffen verbunden ist. ?
Schon auch, ansonsten wäre negative Kreativität ja Destruktion, was sie ja auch ist. Nur im Vorgang gibt es das nicht, gibt es da dann positiv und negativ ?
Mephisto ist doch auch ein schönes Beispiel dazu – die Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft – ein sehr kreativer Geist.

Gehört K. In die Politik ?
Ja unbedingt, sie gehört überall hin, ich wüßte nicht, wo sie nicht hingehörte.

Ein Bild von einem kreativen Moment/Prozess – wie sähe das aus ?
Also, puh, da gibt es verschiedene Bilder, also ein Bild für mich, die Arbeit mit Masken. Die ist sehr speziell, wenn ich so von kreativen Prozessen ausgehe. Weil ich da am extremsten die Erfahrung gemacht habe, daß ich Dinge spiele wo ich keine Ahnung hab, wo die herkommen, und wo ich plötzliche Dinge tu und Dinge sage, die so komplett aus dem Nichts kommen, völlig unerwartet, so überraschend und doch völlig selbstverständlich – das war so erstaunlich, daß sowas passiert und wie das passiert.
Du verwandelst dich in etwas und das ist da, ohne daß du es vorher gekannt hast und es ist selbstverständlich, hochkomplex und umfassend und du denkst "Aha".
Könntest du das visualisieren ?
Eine Verwandlung ist nun mal blöderweise keine Visualisierung. Beim Spielen ist es so als ob irgendjemand anders oder etwas anderes in dir auftaucht.
Also ich zünde den Motor und geb vielleicht auch irgendwie das Benzin da rein, damit er laufen kann, aber der Motor oder diese innere Energie produziert Dinge, die ich vorher nicht kannte und durch die Maske hat das irgendeinen Weg, eine Vorgabe, die völlig unbekannte oder unerwartete Äußerungen hervorbringen.
Und ich weiß nicht, ob die Maske in ihrer Beschränkung das macht, wie es auch bei anderen Vorgaben geschieht – so, ich nehm dir was weg oder geb dir eine Beschränkung und das ist ja auch oft bei kreativen Prozessen, das das Fehlen, oder eine Aufgabe, ein Hinderniss den Prozess auslöst oder vorantreibt.
Wahrscheinlich ist es ein Mischung, denn du überlässt dich dieser Sache, findest dich ein aber du entnimmst dem ja auch die darin wohnenden Möglichkeiten und Äußerungen.
Da entdeckst du natürlich auch Dige von dir, von deinem fluiden Kern, wobei dieses Gefühl zu sich zu kommen auf jeden Fall auch daher kommt, wie sicher, wie erstaunlich sicher diese Figuren agieren, diese völlige Selbstverständlichkeit und Sicherheit, Dinge jetzt so zu machen wie man sie macht, so ohne Fragen.
So eine Klarheit hat irgendwie auch jede Maske wenn du diesen "pah", diese Energie gefunden hast. Und das was da passiert, was da so völlig klar funktioniert, das ist so ein Moment wo sich was schöpft, was ich noch nicht kenne.

Kreatives Gesellschaftsspiel ? Spiel ?

Ich spiel total wenig. Aber – Verstecken – Ja.
Also beim Schach wäre ich viel zu beschäftigt, mich überhaupt in den Regeln zu bewegen, da würde das Gefühl von Freiheit, Freiraum gar nicht erst aufkommen.
Ist ja auch interessant, daß man in vielen Bereichen so damit beschäftigt ist, mit den Dingen überhaupt klarzukommen, daß man gar keine Zeit hat oder keine Kapazität kreativ zu sein.
Wär mal spannend wie das bei Kindern so ist, denen zu ihren Bildern gesagt wird – boh ist das toll, ist das klasse und die machen einfach nur, sind so mit den Faben und dem Material beschäftigt, daß die Gestalt gar nicht wichtig ist.

persönliche Fragen Würdest du dich selbst als Künstlerin bezeichnen ?
Ja, besteh ich drauf. Ich will nicht arbeiten.
Ne Nachbarin, die coacht, hat mal ein paar Frauen zusammengesucht zum Thema Persönlichkeitsentwicklung. Sowas mag ich ja gar nicht, auch Sternzeichen und all so Schubladen, da reagier ich richtig trotzig drauf. Egal, die wollte da was ausprobieren und natürlich hab ich da auch mitgemacht. Und dann hat sie so Fragen gestellt und wir sollten Sätze aufschreiben und der einzige Satz der mir eingefallen ist, war: Ich will nicht arbeiten – weil ich arbeite viel, teilweise über die Maßen, aber was ich meinte, war,
da waren lauter berufstätige Menschen und es gibt sone Art von Ordnung und Gewissheit von dem was so passiert, wo sich mir die Haare sträuben.
Und da wollte ich was....., das wollte ich anders....., Ja.

Worin besteht deine Kunst ?
Geschichten erzählen, Figuren zu spielen, auszugestalten, darzustellen, zu erfinden. Zu Sprechen, Texte, zu rezitieren, Menschen zu unterhalten, auf öffentlichen Plätzen hoffentlich poetische Momente zu schaffen, die die Arbeit des täglichen Lebens unterbrechen.
Und was noch, hm, innere Bilder, die ich hab oder die andere mir geben in die Welt zu setzen, weil ich sie mag.

Was macht für dich das KünstlerIn sein aus ?
Eigentlich besteht es daraus, seine Kunst, seine Arbeit zu tun, eigentlich will ich nur meine Arbeit machen.
Und ich weiß den Unterschied zu der Arbeit von eben, die ich nicht machen will gar nicht so recht.
Es gibt Arbeiten in denen fühle ich mich, selbst wenn sie anspruchsvoll sind, pappig, blöd und es gibt Tätigkeiten, da fühl ich mich wohl drin, das hat dann mit Bewegung zu tun, damit daß ich laut sein kann, lachen kann, singen, eigentlich ganz simple Dinge, die auch nicht unbedingt Kunst von NichtKunst unterscheiden.
Und Selbstbestimmtheit spielt auch noch eine große Rolle und zwar eine vielfältige. Zum einen auch als Selbstschutz, so glaub ich, daß ich viele Dinge nicht tue, weil ich mich dem nicht aussetzen möchte, sowas wie z.B. bestimmte Konkurenzen in Arbeitssituationen.
Zum Andern ist es natürlich auch nicht um etwas zu vermeiden, sondern eben auch, um die Dinge machen zu können, die ich gerne mache.
Ich habe Arbeit nie losgelöst von meinem Leben erlebt oder auch die Frage, was hast du für Hobbys, ich habe keine, ich mach das, was ich gerne mache und das spielt ja auch eine Rolle bei der Bewertung von Arbeit.

Hast du Ziele, die du mit deinem "Schaffen" erreichen willst ? Für Dich ? Für andere ?
Bei den walk acts ist es oft so, also das ist irgendwie eine wahnsinnig dankbare Aufgabe, weil wenn du mit Figuren da bist gehen die Leute richtig, also du verbreitest einfach Freude, das ist spürbar, das funktioniert und das ist schön wenn die sich freuen, genauso wie wenn sie ein schöne Blume sehen.
In den Städten gehen sie schon mal vorbei aber dann machst du ein Gesicht, sprichst sie an und dann kommen sie auch dazu und freuen sich oder sie kommen mit anderen in Kontakt, das ist dann auch ein Effekt.
Und eine Offenheit im Umgang miteinander zu evozieren macht total Spaß oder die Freude am Fabulieren, an Sprache zu wecken oder am Spielen und Singen.

Welche Rolle spielt Kreativität in deinem Künstlerinnen Sein ?
Eigentlich ist das so ein ständiger Anspruch, daß sie dazuseien hat, in dem Anspruch, daß ich ständig was schaffe oder auch wach zu sein.
Wenn du improvisierst hast du immer wieder Dinge auf die du reagieren musst, das kann man auch mehr oder weniger kreativ machen.
Aber auch in Dingen, die du ständig wiederholst, du möchtest sie ja nicht nur wiederholen, du willst sie ja auch wach machen und auch da kreativ bleiben, also in dem Moment. Und diese Wachheit hat wiederum was mit der Intensität von Leben zu tun.
Da fällt mir ein. Ich vergess ständig seinen Namen, ein Clown, der viel bei Roncalli unterwegs war, so ein kräftiger Typ, mit dem war ich mal 2 Monate unterwegs mit Stelzen in einer Show, so eher ein sideact, der war der Hauptact und derjenige der den Rocallianteil der Show vertrat.
Der hat zwei Nummern gemacht. Diese Orchesternummer, wo die Zuschauer ein Orchester spielen und eine andere, wo so zwei drei Leute aus dem Publikum eine Rolle übernehmen.
Und ich war total platt, wie exakt er jedesmal, also wie gleich die Nummern sind, obwohl er ja jedesmal andere Leute dabei hatte, also das Orchester pronociert ja die Aktionen und das war jedesmal so auf den Punkt gleich, daß ich dachte, das gibts nicht.
Das hat mich erstmal total überrascht. Der ist toll, richtig klasse, voll auf den Punkt und ich weiß jetzt nicht, ob das so feine Nuancen sind oder wie das passiert aber seine Reaktionen waren immer dieselben, egal was die Leute gemacht haben, der hat einfach dieselbe Reaktion gezeigt
. Erst dachte ich, was ist denn das fürn Mist, aber es funktioniert. Das müsste man sich mal länger angucken, aber das hat mich damals sehr irritiert.
Eigentlich hätte ich erwartet, das da Variationen drin sind, sind es aber nicht, der zieht das einfach durch.
Vielleicht sind da ja die Feinheiten, die das ausmachen, die ich nicht gesehen habe. Der war überhaupt nicht tot, der war toll, das Publikum begeistert und das lebte, aber so gleich, das passte einfach nicht zusammen
. Wie ein Kampf oder ein Tanz, der einstudiert - Zack zack zack abläuft aber wenn so ein Element wie Zuschauer dazukommt, da denkt man doch......
Und da spielen ja auch noch andere Faktoren mit da rein, wie Dinge funktionieren und was für Spielräume da sind. Wenn ich eine Minute mit ein zwei Leuten auf der Straße habe oder wenn ich vor 1500 oder 3000 Leuten und ein Orchester spielt dazu. Da sind doch ganz andere Dinge, Räume zu bedienen.
Das hat mich sehr beschäftigt, was der da macht und wie das abläuft, was macht das, die Form, den Ablauf lebendig, wie kannst du die Wachheit erreichen, die nährt.

Würdest du dir ein Mehr an Kreativität wünschen und wenn ja, wie sollte sie beschaffen sein ?
Phe, ja schon, würd ich mir wünschen.
Es gibt haufenweise unbeantwortete Fragen, viele Baustellen im persönlichen und in der Welt, wo ich auf der Stelle trete.
Da würd ich mir ein hohes Maß an Kreativität wünschen, um da einen Schritt weiter kommen.
Das würde ja auch meine eigene Handlungsfähigkeit erweitern. Und bei allem was so globalpolitisch geschieht braucht man extrem viel Kreativität. Auch im Umgang mit Konflikten, Machtkonflikte die näher an uns ranrücken.

Wenn da etwas geboren wurde, was macht das mit dir ? Kannst du beschreiben, was da in dir geschieht/entsteht ?
Das ist so, äh irgendwie ist das so als ob man mit dem Kanu um die Ecke paddelst und man sieht ne neue Landschaft.
Plötzlich ist ein neuer Ausblick da und es geht weiter.

Gibt es bei dir den Moment, wo es passiert ?
Ja klar, das gibt es mehr oder weniger ertragreich ganz oft.
Wenn ich gehe z.B. oder wenn ich nicht schlafen kann und drüber nachdenke, da kommt was ins Rollen und es macht klickerdiklick, wie so klicker, die irgendwo runterkullern, kommt so eins zum Andern.
Das ist ja sowieso, wenn man sich etwas genauer anguckt, dann kann man ja ganz anders drüber nachdenken.
Das Fragezeichen übertönt manchmal die Dinge, über die man sich Gedanken macht. Das ist dann eher unkreativ.
Aber in Bewegung, wenn ich Raum greife, also Wirkung erlebe oder wenn ich mich im Liegen focoussieren kann, dann schraubt sich die Lautstärke der Fragzeichen runter und es kann passieren.
Und beim Gehen spielt da auch noch der Rhythmus der inneren Bewegung eine Rolle.
Beim Nicht Schlafen können kann ich im Moment, das konnt ich früher nicht so gut, mich gut in so Situationen reindenken, mich fallen lassen. Es ist einfach beruhigend sich mit Dingen zu beschäftigen und dann macht es auch nichts, daß ich nicht schlafen kann – ich bin noch zu schwer um was zu tun und so kann ich mich den Gedanken überlassen.

War das schon immer so, hat sich das verändert ?
Ne ne, wie gesagt, daß hat sich in den letzten Jahren entwickelt. Einmal schlaf ich schlechter, aber es nervt mich nicht mehr, ich hab keinen Bock mich davon nerven zu lassen. Aber das mit dem Bewegen und dem Denken, das war schon immer so.

Hast du Mittel, Techniken, Vorgehensweisen dahinzukommen ?
Wie gesagt, sich in Bewegung zu versetzen hilft ungemein.
Was aber fast schon ein Tic ist, hab ich manchmal den Eindruck, das hängt aber auch mit dem Internet zusammen, sich alles mögliche anzugucken, quasi diese Inspiration.
Aber da frag ich mich ob das gut ist oder nicht, aber es ist einfach so offensichtlich, naheliegend, daß es fast schon erschreckend ist.
Inspiration ist toll, Bilder zu gucken, sich auszutauschen mit Menschen, Werken, Sachen nach denen man selber gerade sucht. Im Gespräch den eigenen Standpunkt klären, dadurch daß man es ausspricht, jemandem erläutert, um zu sehen wo man da steht, in sone Art Ring zu treten, wo man etwas austrägt, das verschafft einem oft Klarheit.
Es gibt so eine Zeit, wo so Prozesse in einem selber wabern und wo man auch in einer halbfertigen Form, schon drüber spricht und das ist sehr hilfreich.

Was geschieht bei der Präsentation ?
Das hängt ein bißchen von der Form ab, in der ich das dann nach Außen bringe.
Wenn ich über etwas erzähle oder etwas spiele, auch auf der Probe, da passiert natürlich etwas und wenn ich über etwas rede ist das noch eine andere Form der Reflexion.
Wenn ich spiele, vor allem vor Publikum, da bekomme ich erstmal ein Echo, da entfaltet sich was im Raum und das verändert sich und lebt als das, was es dann ist, weiter.
Der Prozess ist ja eh endlos – du entwickelst was, dann hast du nen Punkt, dann gibst du es nach außen und dann merkst du, "aha -echt ? So ist das ?" - jede neue Begegnung gibt die ja weitere Anhaltspunkte, was damit geht.
Ganz extrem war das mal mit Musik. Wir hatten da ne DreierCombo wo wir tierisch vie Krach gemacht haben, sehr merkwürdige Klänge haben wir da rausgehauen.
Und je nachdem mit wem ich mir das angehört hab fand ich das so bescheuert oder so klasse, weil ich da selber teilweise recht gespalten war. So hörte sich das, je nachdem wer da neben mir saß, total anders an.
Und bei Aufführungen oder wenn man spielt, jedes Publikum, jeder Raum jeder Mitspieler entlockt dir andere Sachen oder bringt andere Saiten zum Schwingen oder gibt dir was anderes zurück und so ist man in einem ständigen Austausch, der immer wieder Neues hervorbringt. Das geht immer weiter.
Und immer ist das was dabei rauskommt anders, als das was ich im Kopf hatte, immer anders.

Würdest du den Moment/ diese Kreativität als heilend beschreiben ?
(lange Pause) Ich überleg grad, was da geheilt wird.
Also wenn ich den Eindruck hab, ich trete nicht auf der Stelle, sondern ich kann etwas tun, wenn ich also meine Selbstwirksamkeit.....,
ich also den Eindruck habe ich kann eine Situation bewältigen, kann Fragen bewältigen dann ist das natürlich erstmal heilend.
Grundsätzlich also ja, weil es etwas mit Weitergehen zu tun hat, also um die Ecke mit dem Kanu.
Aber ich kann mir auch mit viel Kreativität das Leben schwer machen, also mir Bilder schaffen, alles sei großartig aber in Wirklichkeit bist du eigentlich magersüchtig und machst dich einfach nur kaputt.
Ich hab da ne Pflanze im Kopf, die wächst oder ein Wunde die wächst ja auch zu und heilt.

Kannst du dich der Aussage anschließen – Meine Kreativität heilt -meine geschundene Seele ?
Ne, ich hab keine geschundene Seele.

die, die sich mit meiner Kunst beschäftigen ?
Würd ich mir nicht anmaßen , aber wenn ich an die Freude denke die entsteht, dann ja, natürlich nicht ganz aber in Teilen schon.

Gibt es einen Ort, der dir beim Kreativsein hilft ?
Ich hab oft Menschen mit denen mir das besonders gut gelingt, eher Menschen als Orte, aber draußen ist ja auch ein Ort, unbedingt draußen.

*Allein/Zusammen/Politische Fragen

Kennst du weitere / andere Auseinandersetzungen mit Kreativität im öff. Diskurs ?*

Es ist ja grundsätzlich etwas positiv Besetztes mit der Kreativität und das fing ja schon mit diesen vielen Partizipationsprojekten an, wo es um künstlerische Praxis geht, was immer mehr, schon seit Jahren, in die Mitte drängt.
So mit Beuys – jeder Mensch ist ein Künstler und anderes. Das zeigt , daß zum Einen die Kapazität für die Menschen da ist, jenseits ihrer Arbeit, in der sie ja unter Umständen auch kreativ tätig sind, um gesellschaftlich kreativ und frei tätig zu werden.
Die Zeit und auch das Interesse an der Auseinandersetzung mit Theater, Musik und überhaupt so kreativen Dingen ist wohl seit den 60ern zu dieser Freien Szene geworden, die sich seitdem immer mehr in die Gesellschaft hinein bewegt.
Einmal daruch, daß sie immer mehr kulturelle Bildungsaufgaben übernimmt und auch weil die Projekte an sich immer mehr partizipativ angelegt sind.
Da hat sich auch mit der Digitalisierung sehr viel verändert. Das geht auch über tictoc und andere Möglichkeiten, wo jeder selber sich oder etwas präsentieren und öffentlich machen kann. Da ist eine ungeheure Sichtbarkeit entstanden von dem was Menschen alles so treiben und tun.
Das gibt mitunter auch diesen Lösungs-, Rezeptanstrich, also wenn du ein Problem hast mach das so und so. Die kreativen Lösungen sind damit so greifbar geworden, allerorten.
Das verändert natürlich auch das was du machst, weil du merkst, oh da gibt es ja schon so eine Masse von Dingen zu.
Als ich angefangen hab, da waren das alles, auch in der freien Szene, irgendwie war das mit einer anderen Wertigkeit ausgestattet. Ich hab z.B. viel Robert Wilson gesehen, Kafka gelesen und das hatte so was Erhabenes, so eine Erhabenheit von Kunst, die für mich auch immer ein Verbindung zum Göttlichen hatte, zu etwas Besonderem.
Bei Kafka gibt es doch diese Geschichte von Josephine, der Maus. Die fiept und macht eigentlich nichts besonderes aber alle hören ihr zu und das ist auch das Wichtige, daß da irgendwas ist und gleichzeitig alle zuhören.
Als Kind bin ich z.B. unheimlich gern in den Gottesdienst gegangen, weil alle miteinander gesungen haben oder als ich, auch als Kind zum ersten Mal mit Theater in Berührung kam, merkte ich auch, ich mach was und alle anderen sind mit dabei.
Das war noch speziell, weil ich wußte den Weg, ich konnte die Stimmung verändern, nicht manipulativ meine ich, aber ich als wirksamer Teil des Ganzen.
Oder in New York, da war ich auch noch sehr jung, da waren wir viel im off-Broadway unterwegs, das war so ein Schmelztigel an Menschen. Überall hats geplappert, also du bist auf der Strasse und gefühlt reden alle miteinander und es gab so viele Einzelgeschichten, die alle erzählt werden wollten und das wars, das war nicht mehr so ein "oh", so ein Ausbreiten und Hinfunkeln zu etwas, sondern das waren einfach so ganz viele Stimmen, die etwas erzählt haben. Das hat mich damals auch sehr irritiert, ich wußte gar nicht wie ich das finden sollte. Jede und Jeder macht irgendwas und das ist auch ganz nett, aber wo ist denn das Besondere dabei.
Das trug sich und trägt sich immer weiter, so daß ich mich mittlerweile frage, sowas Erhabenes, gibts das überhaupt noch ?
Von daher ging es der Freien Szene damals besser, die eigene Wichtigkeit, auch durch das Wissen um künstlerische Praktiken, das heute ja viel zugänglicher geworden ist, waren viel bestimmender als das heute ist – das ist ja auch gut so, daß viel leichter damit umgegangen wird, viel mehr diesen Zugang haben.
Da ist dann die Frage für meine Arbeit, wie ich mich einbringen kann, was mach ich denn jetzt so, am geschicktesten, am Besten, wo seh ich mich in diesem Ganzen.
Grundsätzlich ist das toll, diese Projekte, die sich an die Menschen im Quartier wenden. In Wuppertal gab es da ein mehrjähriges Projekt, die Oase, wo Fragen an die und von den Menschen gestellt wurden und daraus Aktionen und Vewanstaltungen wurden, das bringt echt was und doch frage ich mich als z.B. Theaterschaffende, was das für mich bedeutet.

...irgendwann mache ich das Mikrophon aus, weil es viel wird und wir uns immer weiter in andere Bereiche vorsprechen, Projekte und Ideen zum Theater Freudenhaus und den Anforderungen, die die Projekte des Jahres für uns bringen. Und wenn ich keinen Anschlußtermin gehabt hätte, wäre ein Ausgang des Gespräches unabsehbar gewesen......

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