wie das Nasereiben bei Wicki

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Mit T. K. beginnt für mich die zweite Rutsche der Interviews. Ich kenne ihn seit mehr als 25 Jahren und habe einige wunderbare Produktionen und Projekte mit ihm gemacht. Ich besuche ihn in seinem selbst, behindertengerecht umgebauten Haus. Er ist ein begnadeter Handwerker und ein ebensolcher Schauspieler und Improvisateur. Die gemeinsame Christmas Carol Produktion von vor 15 Jahren wird noch heute in Dortmund gespielt. Daß wir uns da vor einem Jahr in der letzten Weihnachtssaison das letzte mal gesehen haben, wird mir erst klar als ich ihm von Klaus´ Tod im Februar erzähle und er noch nicht davon gehört hat. Nach Begrüßung und Stimmungsabgleich, Berichten über Urlaube, neue Nachbarschaften, alte und neue Projekte (da ist vor allem das "experimentier. labor" des dott.werk in Do zu nennen, das im Dezember sein "finale" in der Düsseldorfer Strasse feiert aber als Ort bestehen bleibt) und einem Kaffee mit N., seiner Frau und der Macherin des oben genannten, geht es los:

Warm up
Kann man Kreativität messen ?

Uh, das ist aber ne böse Einstiegsfrage.
Ich glaube schon, daß man sie messen kann, wenn man ein Werk sieht oder sowas.
Ich sag mal einfach Ja, ich muß das ja erstmal gar nicht begründen. Das ist aber kein objektives, das ist nur subjektives Messen, das kann nur subjektiv sein – aus meiner Sicht – ist dieser Mensch kreativ oder nicht, so wie jemand behauptet er kann singen oder er kann nicht singen und wenn er dann singt, ist es ja Singen. So und dann gefällt es mir oder es gefällt mir nicht. Und genauso ist es bei der Kunst, bildenden Kunst oder so.
Vielleicht ist es ja total kreativ weiß auf weiß zu malen aber ob´s gefällt ?

Was glaubst du -Wie beschreiben die meisten Menschen, wenn sie mit kreativen Mitteln, ein Problem bewältigten ihre Befindlichkeit ?
Wenn du es getan hast ?
Das kann ich jetzt nur von mir sagen, wenn du´s getan hast dann fühlt es sich so an, dann ist man total leer und eher deprimiert als froh.
Also ich habe eine Premiere durchgezogen, es ist total geile Arbeit gewesen, mit tollen Kollegen, gute Reaktionen im Publikum, tolle Presse, alles gut und dann sitze ich da, weiß ich müßte mich eigentlich total freuen und das ist auch da aber es ist gleichzeitig eine absolute Leere, eine Traurigkeit, daß das was man da getan hat jetzt, ja vorbei ist. Weil es ja vorbei ist.
Wenn man ein Bild geschaffen hat oder im Film, dann ist das ja noch nicht vorbei, aber das Stück ist durchgelaufen und erstmal zu Ende. Beim nächsten Mal ist es dann ja ganz anders und das Besondere des Abends und auch der Arbeit um dahinzukommen, mit den Kollegen, all das ist vorbei und nicht wiederholbar.
In der Regel ist man ja auch wenn ein Stück gespielt, abgespielt ist, auch mit den Kollegen nicht mehr zusammen. Man sieht sich, hat diese geteilte, tolle Vergangenheit, man nimmt sich vor sich zu sehen, tut man aber nicht. Das ist dann vorbei.
Theater ist schon sehr flüchtig und jeder Abend ist anders und besonders.
Und im Kleinen ? Wenn die Suche nach einer ganz speziellen Lösung gelingt ? Wenn da was passt ?
Dann freu ich mich drüber z.B. wenn ich ein Wort oder einen Text, einen Satz aufsage und merke – ooh, der war jetzt richtig gut – so, da merk ich dann schon eine Zufriedenheit, einen Stolz in dem Augenblick, daß mir das gefällt und oft ist es mir sehr wichtig, daß mir das gefällt und nicht, das es anderen gefällt, das ist dann das Zweite. Das macht es dann noch schöner.

Was glaubst du, lässt die Kreativität am meisten wachsen ?
Sich ruhig hinsetzen und Nachdenken über Dinge,viel gucken, von anderen lernen und vielleicht abgucken, auch wo man Sachen sieht, wo man denkt das interessiert mich nicht, trotzdem nimmt man Sachen davon mit, allein schon das:
So wür ich´s vielleicht nicht tun.
Ich glaube bei mir ist es so, ich für mich allein bin gar nicht so wahnsinnig kreativ, aber im Zusammenhang mit zwei, drei anderen Menschen dann...dann...in dem Moment wo es dann um die Arbeit geht, da fang ich an zu brennen und zu sprudeln, dann kommen mir Bilder und Ideen, selbst beim Text lesen, schon da geht es los, das könnte man so, so, so machen, obs dann im Endeffekt auch so wird, weiß ich nicht, aber da seh ich sofort ´ne Figur und die macht das und das und ach guck mal da, da könnt man doch einen Blödsinn hineinbringen und wenn man das mit den Kollegen zusammen.... und man hat wirklich feine Kollegen, die man schätzt und mag, dann ist es toll, dann wächst da was.
Das Gegenteil geht natürlich auch, wenn da Idioten sind mit denen du arbeitest, dann denk ich – mach doch, mach doch.

Wann kann sich Kreativität am besten entfalten ?
Da hab ich was schönes erlebt, was das beschreiben könnte.
Vor zwei Jahren haben wir das Stück "Schwierig" gemacht, mit T.S. Und wir haben am Anfang eigentlich uns unterhalten, stundenlang, über alles mögliche, gar nicht über den Text den er geschrieben hat – über Menschen, die vorbeigehen, Befindlichkeiten, mein Erleben von Dingen und das war ein unglaublich ruhiger Prozess wo wir dann irgendwann mal gesagt haben, jetzt machen wir dann doch mal ne viertelStunde was auf der Bühne.
Das war ganz ganz toll und das hab ich jetzt mehrere Male erlebt, dass man diesen Text, mit dem man was machen will, daß man den nicht einmal gelesen hat, so als Leseprobe und macht den dann auf der Bühne, sondern, daß man den wirklich....., daß man tagelang da gesessen hat und den immer wieder gelesen hat und der Regisseur dann gesagt hat, ne jetzt sag den Satz mal so und so.
Das war eine Tischregie in dem Augenblick. Und als wir dann, nach zwei Wochen, auf die Bühne gegangen sind, wußte ich schon, jeder wußte das, was er tut, wie er das tut und wie er den Satz sagen muß und das war eine unglaublich tolle Erfahrung.
Also ich hab gemerkt, in der Ruhe - Ich werde zum Ende, wenn ich unzufrieden bin, da werde ich hektisch, kribitzig aber grundsätzlich wenn wir sitzen und reden, wie kommen wir dahin, was können wir tun, dann finde ich diesen Prozess eigentlich am Schönsten – im Miteinander.
Bei Soloproduktionen ist das anders, da bin ich eigentlich immer sehr unglücklich, weil da sitzt du dann hinterher ganz allein in der Garderobe und ist einsam, man hat nichtmal die Möglichkeit zu fragen, boh, wie wars heut für dich oder boh der Zuschauer war aber..... – das kann man nur denken und auch auf der Bühne ist niemand der dich, auf der einen Seite stört, du kannst machen was du willst, aber eben auch keinen, der dich beflügelt, der dich rettet, der Input gibt, der verrückt ist , der dich nervt – der Reaktion zeigt.

Unterschiedliche Kunst = unterschiedliche Kreativität ?
Musik braucht was anderes als bildende Kunst, ein Musiker was anderes als ein Bildhauer, das braucht andere Ansätze, andere Fertigkeiten, ich glaube ja.
Aber davon losgelöst kannst du überall kreativ sein, deine Kreativität einbringen und z.B. durch Sich-einlassen zu Ergebnissen kommen.

Braucht Kreativität Intelligenz ?
Boh, schon wieder sowas. Ich glaub, da braucht es zumindest eine durchschnittliche oder darüber hinausgehende Intelligenz, um sich für mehr zu interessieren als für sich selbst.
Mir würde z.B. auf einer Insel, wo alles gut ist, Menschen, Landschaft, Luft oder so und alles ist schön und gut, da würde mir sowas wie Kunst fehlen, sowas wie Input von anderen Dingen.
Aber ich glaube auch, daß jeder Mensch dahingeführt werden kann, wenn der in einem Zusammenhang lebt, wo Kunst gelebt, wo Kreativität gelebt wird, dann kann da auch jederzeit rangeführt werden.

Hast du ev. andere Worte dafür ?
Pfiffig, pfiffige Idee – boh – wie kommt man auf sonne Idee, warum bin ich auf die Idee nicht gekommen, so einfach, so schön, da kann ich neidisch werden.
Ich habe einmal in einer Aufführung was gesehen.
Das war in Gent in Belgien, du wurdest einzeln in einen Raum geführt, alles war dunkel, du wurdest wohin gesetzt, du wußtest nicht wo du warst. Als die Türen dann schlossen ging in der Mitte eine Lampe an und die beschien einen Strauß mit total schönen Tulpen in einer Vase auf einem großen Tisch. Dann saß man da und guckte und guckte und es passierte erstmal nichts.
Mit einem Mal fiel ein Blütenblatt runter, dann fiel das zweite und packpackpack immer mehr und dann neigten sich diese Köpfe zu Boden.... dieser Blumenstrauß ist innerhalb von 10 Minuten verwelkt. Das hat mich sooo fertig gemacht, wie kann, wie ham die das hingekriegt ?
Das Stück ging dann mit was anderem weiter, aber ich bin dann hinterher zu den Machern gegangen und die ham mir das dann erklärt (die Lösung kann auf Anfrage verraten werden). Was für eine Idee. boh.



Kreativität und Ökonomie – passt das zusammen ?
Es muß zusammenpassen, weil...., es sollte nicht im Vordergrund stehen, das ist klar,... zumindest daß man nicht draufzahlt, daß es sich ein bißchen rechnet. Ich wollte eigentlich immer das Stück machen und wenn es dafür Geld gab, um so besser. Klar gibt es auch Anfragen, da steh ich nicht hinter aber es ist gut bezahlt, dann geht das auch, das ist dann aber eher ein Abliefern und weniger was mit Kreativität.

Gibt es soetwas wie negative Kreativität ?
Ich zerstöre ein Bild. Das ist zwar ein kreativer Prozess, aber macht was kaputt. Die Putzfrauen, die Beuy´s Wanne sauber gemacht haben, haben auch kreativ gearbeitet und gedacht, weil sie sie schön sauber gemacht haben – oder ?

Gehört Kreativität in die Politik ?
Ja, das wär schön, wenn es sie da geben würde, viel mehr geben würde. Es sollte auf jeden Fall mehr sein - Mal um die Ecke denken - Mal sowas wie bei einer Theaterproduktion, ein brainstorming zum Thema und von den 20 BlödsinnsIdeen, die da kommen sind vielleicht 2 zu gebrauchen.
So jemand wie Gregor Gysi, mit Humor, Selbstreflektion und -ironie, wo ich manchmal denke, das ist gesund, auch mal unernst ernst. So mal weniger wichtig nehmen und sagen, ne du bist nicht wichtig, wichtig ist, den Menschen was Gutes tun, was was hilft. Das ist ein kreativer Kopf.

persönliche Fragen Würdest du dich selbst als Künstlerin bezeichnen ?
Ja.
Irgendwelche Anmerkungen warum ?
Ich sach ja immer, ich bin darstellender Bühnenarbeiter, d.h. Das was ich auf der Bühne tue habe ich mir und mit anderen zusammen erarbeitet.
Also, von mir aus bin ich ja nicht so ein, das und das. Ich ich bin da eher hingeführt worden und das war an vielen Stellen ordentliche Arbeit, das zu tun, dahinzukommen und das zu erreichen.
Eine Grundfertigkeit ist da, aber wenn da jemand noch mehr aus mir herauskitzelt, was ich selber nicht erwartet hab, was mich selber überrascht und merke sowas kann ich.
Das ist beim Tod eines Handlungsreisenden in Aachen passiert, wo ich dem Regiesseur gesagt hab, pass auf, ich könnte doch jetzt so und so und er sagt, ne, das lass mal, das kannste dir für dein nächstes Stück benutzten und ich möchte, daß du das so tust und ich weiß, daß du das dann hinkriegst, das andere interessiert mich nicht – das hat mich sehr frustriert. Aber hinterher auf der Bühne habe ich 50 mal heulende Leute vor mir gehabt, weil er mich so hingekriegt hat, daß ich das so hingekriegt hab, da war ich so stolz auf mich selber. Ich hatte mir dann vorgenommen einmal, in den 50 Vorstellungen, einmal den Text richtig aufzusagen, kein Versprecher und so – ich habs nicht hingekriegt, ich habs nicht hingekriegt.

Worin besteht deine Kunst ?
... daß ich mich traue bekloppte Ideen zu haben und die auch zu sagen und daß ich an vielen Stellen auch keine Scheu hab mich damit zu exponieren. Ich kann mich gut zurücknehmen glaube ich aber ich kann auch manchmal übersprudelnd mich dahinsetzen und Blödsinn reden. Mein Können ist glaub ich auch so eine gewisse Imrovisationsfähigkeit – auf Dinge zu reagieren, die mir gerade einfallen, die jemand anders mir gibt. Es ist selten, daß ich in solchen Situationen sprachlos bin.

Was macht für dich das Künstlerin sein aus ?
Das Zusammenarbeiten mit anderen Menschen.

Hast du Ziele, die du mit deinem "Schaffen" erreichen willst ?
Leider nicht mehr – ich merke, daß ich keine Lust mehr habe. Das ist pandemiemäßig nicht besser geworden. Vorher gings mir so, daß ich dachte – ah, heute haste nen Auftritt. Dann fährste hin, hast nicht wirklich Lust dazu, tust dann aber was nötig ist und findest es dann total toll, das was du da tust und wenn du´s getan hast dann ist es richtig geil.
Aber mir fehlt- ich brenne nicht mehr so dafür, wenn ich nächstes Jahr in Rente geh, dann freue ich mich über den ein oder anderen Auftritt aber ich muß das nicht mehr haben, ich gehe auch gerne in den Garten und bastele was anderes.

Was war denn das Ziel von deinem Brennen, als es dich noch getrieben hat ?
Für mich interessante Stücke und Themen - anderen Leuten zu zeigen, interessante, mich bewegende äh, Inhalte anderen zu zeigen.
Das fing damit an, daß wir "Der Büchsenmacher" gemacht haben - zwei Menschen auf der Bühne, eine KaugummiExplosion hat draußen stattgefunden und sie müssen sich in den Bunker zurückziehen. Also das war, politisch auch irgendwie, aber gleichzeitig sehr humorvoll, sehr clownesk mit wahnsinnig makaberen Mitteln darzustellen. Ein Glücksgriff, daß ich das damals mit Fips spielen durfte, wir haben es ganz oft gespielt und es war, das hat mich eigentlich dazu bewogen, boh das ist ein schöner Job, den möchteste länger und viel machen. Ganz viele Stücke, die ich danach gemacht habe hatten dann Themen, die mich selber interessierten. Der Inhalt ist sehr bestimmend aber auch die Menschen die das machen wollen.

Was ist Kreativität für dich, was bedeutet sie dir ?

Früher viel, jetzt weniger. Also im Handwerklichen bin ich immer noch von mir aus sehr kreativ. Ist ja auch ne Form der bildenden Kunst.
Aber Inhalte vermitteln und mit darstellerischen Mitteln aufarbeiten ist ja auch eine ganz andere Intention, da bin ich jetzt nicht mehr so initiativ.
Das hat gar nicht mal was mit dem Aufwand zu tun, der wär mir z.B. ziemlich egal. Wenn da jemand käm mit einem guten Projekt das mir Lust macht. So ein Stück erarbeiten, 4-6 Wochen mit Spaß und guten Leuten - dann geht es wieder darum, macht es mir soviel Spaß, daß ich mich da reinwerfen kann. Da wär ich sofort dabei.

Würdest du dir ein Mehr an Kreativität wünschen und wenn ja, wie sollte sie beschaffen sein ?
Ja, wenn da andere sind, die sind kreativ und die mich faszinieren und ich bin dann dabei und kann da partizipieren, im Grunde eine Art Lernvorgang, das find ich schon Klasse.
Auch das ich hingeführt werde zu anderen Sichtweisen oder anderen KreativitätsKunstAnsätzen, die mir nahegelegt werden, ohne daß ich da von selber drauf gekommen wäre.
Ich mach plötzlich Pantomime, kann ich ja nicht, aber dann merke, oh das ist aber auch ein schöner, gut funktionierender Ausdruck, eine schöne kreative Form.

Wenn da etwas geboren wurde, was macht das mit dir ?
Euphorie, das ist Euphorie, pure Euphorie, wenn ich plötzlich mit anderen zusammen, oder auch alleine eine Idee habe, wo ich denke, huaah, ist das schön, ich komm auf die Bühne und streu als erstes Mehl. Das ist der Einstieg des Stücks und dann noch der Geruch der Kekse und das Mehl dann überall und der Teig und... ooh. Dann mach ich nen Salto, ja.

Gibt es bei dir den Moment, wo es passiert ?
Ja. So wie das Nasenreiben bei Wicki – ping – dann ist es da, da kommts , der Einfall. Der vorher nichtmal ansatzweise zu spüren war und man fragt sich, wo kommt der denn jetzt her oder wo hatter gesessen, was ist der Ursprung....

Der Moment wenn etwas entsteht, das du festhalten, loslassen, weiter gestalten, abschließen oder offen halten möchtest – kannst du ihn noch was näher beschreiben ?
Wenn der dann, dieser Gedanke, wenn der dann umgesetzt werden kann und man was findet, das auch darzustellen, was man da gerade gedacht hat, dieses Pling.
Und wenn du dann siehst, daß die Leute die Luft anhalten und das jedes mal.... Du machst das und dann sagst du dir selber, hooh, find ich das schön und es funktioniert, dann ist es wirklich was, was, was....
Das ist dann was, was bleibt, trotz der Flüchtigkeit des Theaters ?
Ja
Ja aber auch diese ganze Teigchoreografie im Christmas Carol, aber das ist auch in vielen anderen Stücken so, daß da so ein kleiner, so schöner Einfall ist. So klein, daß er schon fast wieder riesengroß wird, mit der Musik, mit Allem passend..................

Hat sich das verändert im älter werden ?
Das hat sich verändert. Irgendwann da hab ich gemerkt, ich will n bißchen auf der Bühne rumturnen und wenn ich das jetzt sehe, was ich damals gemacht habe, dann sag ich Ogottogott. Aber damals war es richtig und gut und die Leute haben es sich angeguckt, vielleicht ja auch ein anderes Rezeptionsverhalten damals.
Heute würde man dafür vielleicht ausgebuht werden oder was weiß ich was. Es hat sich auf jeden Fall postiv entwickelt – auch so daß ich das Gefühl habe, das, was ich tu, das ist auch so, daß ich glaube, daß andere das nicht so schlecht finden.
Also ich habe inzwischen ein Gefühl dafür entwickelt, was ich tun muß um bestimmte Sachen zu erzeugen oder darzustellen. Das ist dann auch irgendwie Handwerk, was ich gelernt habe. Das sich aus der Erfahrung der Erfahrung speist, sowas wie zu Wissen, an dieser Stelle ist ein bißchen weniger mehr.
Oder auch zu Wissen, ich komme da näher dran, wenn ich das so mache. Ja, direkter, äh, nicht witzig sein durch witzig sein wollen z.B.

Ist das befriedigend ?
Auf jeden Fall. Du gehst mit einem sehr positiven Gefühl dann aus so einer Situation raus, wenn du merkst, das hat schön funktioniert, da ist ein Lacher, da ist ne Reaktion, da ist jemand betroffen, gerührt oder so, da ist dann schon......

Ist das auch anstrengend ?
Ja sehr. Das Schlimme ist ja, daß man das, wenn man das einmal geschafft hat das wieder zu machen, das zu wiederholen und das es dann genauso ist, daß du jemand, der anders vor dir sitzt, auch so packst - wie kriegt man das hin ?
Du versuchst ja immer gleich zu sein, aber das sich zu merken, wie das da hingekommen ist, daß es so funktioniert. Das krieg ich nicht hin, ich kann mir nicht merken, warum das so funktioniert hat, das ist ja jedesmal neu und deshalb brauch ich da auch ein Gegenüber, eine Regie, Assistenz, Mitspieler, was weiß ich, die gucken und die sagen, ne, pass mal auf, das war gut, das nehmen wir und das andere bleibt raus oder so. Und ich hab das gar nicht mitgekriegt, daß das gut war, frage mich, was hast du denn da gerade gemacht ?

Öffnet es dich ?
Glaub schon.

Befeuert das seine Lust Künstler zu sein ?
Ja, da kann ich gar nicht viel zu sagen. Es ist toll, wenn sich jemand das gleiche Stück mehrmals ansieht oder N. sagt, das war Klasse oder in Aachen damals und du triffst jemand an der Wursttheke und der sagt, ich habe sie gestern gesehen und das war toll, das ist schon was Bleibendes.

Heilende Wirkungen ? Gedankengesundung ? Würdest du den Moment als heilend beschreiben ? Hat der was heilendes ?
Ja, es ist seelenstreichelnd und irgendwie ist es dann auch heilend. Das streichelt dir ein bißchen deine Seele, wo du das Gefühl hast: Ja, das was du getan hast, hat eine "Langzeitwirkung", nicht nur eine momentane, wenn ich also in meiner Darstellung jemanden beeindruckt hab, dann....

Kannst du dich der Aussage anschließen – Meine Kreativität heilt meine geschundene Seele ?
Äh. Ja, der Zweifel. Ich bin ein unglaublich zweifelnder Schauspieler. Das was ich tue, ob das gut ist. Und wenn mir das jemand spiegelt, immer wieder und sagt es ist gut, dann glaub ich das auch. Aber selber passiert das sehr selten, daß ich sage, das was ich da gerade tue ist hervorragend gut oder so. Ich zweifele da schon sehr.
Meine größte Kritikerin ist N. Wo ich dann auch ganz ehrlich gesagt bekomme, das war jetzt ok oder das hättste nich sagen dürfen oder was.

....heilt kleine Verletzungen sofort ?
Weiß ich nicht, kann ich gar nix richtig mit anfangen.

...heilt die, die sich mit meiner Kunst beschäftigen ?
Joa, kann. Also wenn ich die offene Zweierbeziehung spiele, wo sehr viel gespiegelt wird aus Beziehungen, wo man sich immer wieder fragt, oh bei mir war das ja genauso und dann sitzt der Mann daneben, wo das gespiegelt wird, da sitzt dann ein Paar in deiner Vorstellung, die kriegen gerade das vorgespielt, was bei ihnen auch selbsr stattfindet und das kann, auch durch Gespräche hinterher heilen, das ist vielleicht, wir sagen auch hinterher immer so schön, daß sie in unserer Therapiesitzung waren.
Es kann aber auch das Gegenteil sein – Kunst kann auch auseinanderbringen. Hab ich auch einmal erlebt.
Daß sich nach einer Vorstellung vier Menschen so sehr über das gestritten haben, über das was sie gesehen haben, daß die sich entfreundet haben. Hier das war beim weißen Bär, bei "Kunst" von Yasmina Reza, das weiße Bild. Und da haben sie sich so sehr darüber auseinandergesetzt, daß sich vier Frauen, danach nicht mehr.....
fand irgendwie auch spannend, daß es auch solche Wirkung haben kann, also das Gegenteil von heilend.
Vielleicht haben die vier ja doch etwas in ihrer Beziehung geheilt ?
Ja, ich weiß ja nicht....
Ja gut kann man vielleicht auch so sehen,,, gut, daß sie sich... daß es einen Anlass gab, daß jede ehrlich war und das gesagt hat, was den andern dann verletzt hat, und dann....
Schön solche Fragen, daß man da drüber nachdenken muss, das find ich toll.

Gibt es einen Ort, der dir beim Kreativsein hilft ?
Also Text lerne ich morgens immer im Bett, ich wache auf, trinke meinen Kaffee und meistens hab ich dann Zeitung gelesen und danach lese ich dann Text.
Das ist eigentlich keine kreative...doch, die Auseinandersetzung mit den Worten findet da auch statt.
Ansonsten ist der Proberaum, der gemütliche Proberaum, der nicht zu kalt ist, der ist auch schon Kreativität fördernd. Wo man direkt auf der Bühne, wo man dann auch spielt, ist.

Hast du Rituale rund um deine Kreativität ?
Ja, halbe Stunde vor der Vorstellung lauf ich da relativ rum und zweifle dann immer - warum machst du das ? Und gleich gehts los, ach du scheiße.
Das ist nicht bei allen Stücken so, aber oft denke ich, ach, du kannst doch nicht – bei der offenen Zweierbeziehung, die beiden Vampire, du liegst im Sarg und du kannst doch nicht gleich alles das tun, was du tun wirst, das geht doch nicht, wie willst du das herstellen und dann geht das Ding los und es explodiert.
Ja und das Lernen im Bett, da klappe ich die Kopfstütze hoch und lerne Text.
Laut?
Ne eher leise. Hinterher kann ich dann auch hier rumlaufen und sprechen und alles, aber da brauch ich drei Tage lernen vorher. Drei Tage lernen, dann nochmal lernen, nachlernen und dann gehts einigermaßen sicher.

Wenn du ein Bild malen würdest, das Kreativität zeigt, wie sähe das aus ?
Ein Kern der explodiert.

Ein Bild, das eine kreative Situation beschreibt ?
Bansky, dieses zerschredderte Bild, das ist für mich Kreativität pur. Das Ding zu machen und sich dann damit auseinanderzusetzen, wenn es dann für einen bestimmten Betrag...., dann schreddert es sich, das ist für mich...., ich mein das ist ja jetzt schief gegangen, zum Glück ist es schief gegangen, es sollte ja glaub ich ganz geschreddert werden und das hat nicht ganz geklappt, jetzt ist noch ein bißchen zu sehen und so ist es noch mehr wert als vorher.

Ein Spiel ?
Activity, wird doch bestimmt jedesmal genannt.

Thema lernen. Gruppenarbeit in der Schule, wie sollte die aussehen ?
Geschützter Raum, wo man alles sagen und machen kann ohne dafür bewertet zu werden.

Kennst du den Flow-Effekt
Ja, eine Figur die ich spiele z.B., die Frau K., die ich auf Video aufgenommen habe, da wußte ich nie, was da genau passierte, da hatt ich vielleicht so einen kleinen Grundgedanken mehr nicht und diese 5,6 Minuten in der Aufnahme, da merkte ich, da war so ein flow.
da hab ich mir z.B. auch gegönnt mal zu überlegen, wie jeder Mensch das ja auch tun würde und nicht einfach von Anfang bis Ende durchzusprechen. Oder noch besser dieser Live-Stream der Frau K. im Stadionknast, da hatte ich 20 Minuten vor mir und wußte nicht, krieg ich das irgendwie gebacken – und es läuft und bin hinterher über mich selber überrascht, wenn ich das seh und denke – wie kommst du auf sone bescheuerte Idee und teilweise dann auch Stolz, son gewisser Stolz ist dann auch mit drin. Sonne Idee zu haben.

Der Flow-Effekt - Montessori "Polarisation der Aufmerksamkeit" Maslow "peak expirience"- Schaffens- bzw. Tätigkeitsrausch oder Funktionslust – die Entdeckung des Flow am Kind ?
Bei A Christmas Carol und auch bei Moby Dick war es ja so, daß für mich das Vorbild Kinder waren, das war dann immer so dieser Effekt – ich behaupte jetzt, ich hab ne Blume in der Hand und die kann ich dann ja auch nicht einfach loslassen, sondern muß sie ablegen, das löst sich nicht auf.
Die Fantasie wirklich ernst nehmen und dann geschieht da was, das Entwickeln eines Strangs, der dann fließend ineinander und ins Nächste geht. Vor dem ersten Textsagen fließen die Bilder da so ineinander, daß sich das selbst bedingt, entwickelt und entsteht, das ist ein flow, der ja fast ne viertelStunde läuft, bevor im Stück die Geschichte überhaupt anfängt und alles was kommt ist schon angelegt da drin.

Jede/r kann ein/e Künstler/in sein (Novalis) Soziale Plastik, Wärmecharakter (Beuys) ?
Gesellschaftlicher Heilungsprozess durch Irritation ?
Kennst du noch andere....
all das blieb diesmal liegen, weil schon so viel gesagt wurde

Abschlußworte ?
Eigentlich ist das ein schöner Einstieg, um ein gemeinsames Stück zu entwickeln. So ein Gespräch, mit solchen Fragen, das kann ein wunderbarer Anfang sein.

Fast schon ein wenig erschöpft, verlasse ich T. Eine halbe Stunde später, nachdem wir noch ein wenig im Garten gestanden und betrachtet haben, was da an Arbeit demnächst ansteht. Einige Worte über das Theater und wie in dieser Saison, wo alles anders ist die Technik und die Wiederaufnahme läuft.

(benötigt eine App für RSS Feeds, z.B. Follower, Feedly, Reeder …)