Angekommen

Ohne Gleichen

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Liebes Geburtshaus (Und alle die dort ankommen, ein- und ausgehen)

Ich weiß, es wird noch einige Zeit dauern bis ich selbst vorbeikommen kann, mich umsehen und allen Danke sagen kann, die Dich gemacht haben liebes Geburtshaus. Aber jetzt wo ich bald ein halbes Jahr alt werde, möchte ich Dir doch schon einmal ein paar Worte schreiben, damit Du nicht denkst, ich sei böse auf Dich, hätte Dich vergessen oder sowas. Nein, überhaupt kein bißchen. Mama und Papa haben mir erzählt wie das für sie war als ich mich aus Mamas Bauch rausgequetscht habe. Ich hab keine Ahnung wie es woanders, z. B. im Krankenhaus oder zu Hause gewesen wäre, da bin ich einfach ein viel zu blutiger Anfänger. Aber in Dir hat es mir super duper gut gefallen.

Schon vorher, als ich noch gar nichts von dir wußte gab es immer einen Tag in der Woche, wo ich am Abend Mamas Herz auf eine Art und Weise schlagen spürte, die irgendetwas verheißendes hatte, wie ein aufregendes Versprechen und doch gleichzeitig seltsam entspannt. Mit der Zeit freute ich mich mehr und mehr auf diese Abende und irgendwann war ich sicher, daß ich der Grund war, warum Mama so aufgeregt war. Dann habe ich mich entschlossen rauszugehen und mir alles selber anzugucken und Mama hat mir von Anfang an dabei geholfen, das habe ich sofort gemerkt. Sie drückte mich von allen Seiten so heftig, daß ich den Mut bekam die Reise anzutreten. Alles war irgendwie ganz schön hektisch, ich lief mit Mama durch die Wohnung und hörte auch Papa, wie er aufgeregt in der Küche werkelte und immer wieder zu uns kam und Mama drückte. Dann irgendwann wurde alles ein wenig ruhiger. Als hätte Mama sowas wie Angst gehabt und jetzt plötzlich fühlte sie sich sicher und wurde ruhiger. Da müssen wir wohl bei Dir angekommen sein, liebes Geburtshaus und mir wurde plötzlich klar, daß auch Mama und Papa Mut und Zuspruch brauchten, damit sie mich rauslassen konnten. Da war Brigitte, die sich um Mama und auch um Papa gekümmert hat. Ihre Stimme kannte ich ja schon und ihr Lachen war auch an diesem Tag , oder vielleicht war es auch in der Nacht, das weiß ich gar nicht mehr, auf jeden Fall brachte mich ihr Lachen auch dazu alles ganz leicht zu nehmen. Manchmal dachte ich Brigitte sei gegangen oder eingeschlafen, da hab ich dann nur noch Mama gespürt und Papa gehört. Aber immer wenn Mama mal ganz heftig gedrückt hat und ich merkte wie sie selber ein bißchen den Mut verlor, hörte ich Brigitte oder spürte wie sich ihre Hand über meinem Kopf an meine Höhle legte. Mal war mir als würde ich mit Mama schweben und mal wieder drückte es mich stark an die Wand über meinem Kopf. Einmal sogar war mir, als wäre alles vorbei und nichts würde sich verändern, so als ob dieses Schweben schon das Ziel der Reise gewesen wäre. Das dauerte sogar ganz schön lange und ich merkte wie meine Mama ganz schwach und seltsam unruhig wurde, beinahe wär ich einfach eingeschlafen. Doch das war nur ein Luftholen, denn danach ging es richtig rund.

Erst wurde ich wieder an die Wand gedrückt aber diesmal so kräftig, daß ich glaubte mein Kopf würde platzen und dann plötzlich gab die Wand mehr und mehr nach und ich wußte, da muß ich jetzt durch. Da waren dann Hände und es drückte und zog und wurde auf einmal hell und kalt und alles fühlte sich völlig anders an als vorher und ich wurde getragen und war schwer und ich merkte, daß ich schrie und wollte nur noch Wärme und Dunkelheit. Dann hörte ich die Stimmen von Mama und Papa ganz nah und und klar und hörte auch Brigitte und Elli war plötzlich auch da und ich spürte Mamas Wärme und ich trank süße Milch und fühlte Hände und Haut und alles war anders. Dann dauerte es nur noch ein paar Minuten und ich konnte Dich zum ersten Mal selbst ansehen; das war noch ein wenig verschwommen aber es waren schöne Farben und es war warm und gemütlich und ich fühlte mich fast so sicher wie in Mamas Bauch, nur daß eben alles anders war. Ich konnte Papa sehen, der mir Decken über Arme und Beine zog und vorher Brigitte, die ein frohes Gesicht machte, mich überall anschaute und noch vorher Mama, die mich anlächelte, aber ich hab schon auch gemerkt, daß sie ganz schön erschöpft war. Als Papa mich dann wieder zu Mama brachte ging es ihr schon viel viel besser und sie sah mich richtig an, da hab ich dann auch zum ersten Mal die Augen so richtig aufgemacht und hab gesehen, wie gut es ihr geht und ich glaub, ich hab sogar ein bißchen gelächelt. Liebes Geburtshaus, ich weiß gar nicht so genau wie lange ich jetzt in Dir drin war, irgendwann nämlich bin ich dann auch wieder eingeschlafen und wachte dann woanders auf, wo ganz viele Leute waren, die mich alle sehen und anfassen und tragen wollten, aber weißt Du, Du warst meine zweite Wohnung auf dieser Welt und es war schön in Dir und hat mir sehr gefallen und irgendwann komme ich bestimmt zurück und sag Dir guten Tag und schau mir an wie es Dir geht und den Hebammen die in Dir arbeiten und den Kindern, die in Dir ankommen.

So jetzt sag ich erstmal Tschüß und wünsche Dir und allen in Dir alles alles gute Bis bald

(benötigt eine App für RSS Feeds, z.B. Follower, Feedly, Reeder …)