Wie geht (ging) das mit dem Einschlafen

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Wie kriege ich mein Kind in den Schlaf
oder
Anleitung zum glücklichen Abendeinklang

Es ist schon ein wenig abstrus. Ich sitze mitten in der Nacht vorm Computer und versuche zu beschreiben wie Max am Besten in den Schlaf kommt. Neben mir die Funkgeräusche aus dem Babyphon, die den Übertragungssignalen der Apollomission zum Mond von 1968 das Wasser reichen können.
Immer wieder stoßen allerdings Maxs Hustengeräusche durch diesen interstellaren Äther und die Frequenz dieser Anfälle nimmt zu. Mein Verweilen hier wird also nicht mehr von all zu langer Dauer sein. Spätestens wenn Paul in den Hustenkanon einstimmt kann ich mich auf den Weg machen. Vielleicht bin ich ja schneller oben als die beiden sich wachgeschaukelt haben; Zähne putzen und die restliche, eh schon spärliche Körperpflege und angemessenes Umziehen kann ich dann aber wieder vergessen.
Statt selber schlafen zu gehen also dies.

Aber ich werde es versuchen, schon allein ob der immensen Erstaunis genüge zu tun, die dich erfüllt, wenn ich ihn ins Bett gebracht habe.
(ja dieses Wort scheint mir angemessen, denn so sieht dein Gesicht, meine Liebe, aus – Erstaunis steht drauf geschrieben, wenn ich mal wieder ein paar Minuten nach dem „Gute Nacht Sagen“ nach unten komme und du fragst mich „schläft er ?“ – da schlägt mir die pure Erstaunis entgegen.)
Also ich versuche es, denn auch wenn es ein hochkomplexes, fein-sensibles Vorgehen ist, das Behutsamkeit, Entschossenheit und Geduld verlangt, so ist es doch auch ein fulminantes Vergnügen.
Es gibt ein paar Vorbedingungen, die erfüllt sein müssen, damit das Einschlafen unseres Jüngsten von Erfolg gekrönt sein kann.
Der Erfolg beinhaltet die Möglichkeit, den Schlafenden zu verlassen, um noch das ein oder andere notwendige oder auch sinnlose Tun zu verrichten, z.B. die Gewinnermittlung vom vorigen Jahr zu erstellen, damit das Finanzamt oder schlimmer noch das Jugendamt in seinen Forderungen befriedigt werden kann.

Wenn er einen ausgefüllten Tag hatte, zu Mittag nicht länger als 1 ½ Stunden schlief, genügend frische Luft abbekommen und gut gegessen hat stehen die Chancen zumindest nicht schlecht, ihn nach ½ 8 Uhr ins Bett und in den Schlaf zu begleiten. Wenn man dann selbst nicht nach Muttermilch riecht, genügend eigene Erschöpfung in sich trägt (also kaum noch aus den Augen gucken und auf den Beinen stehen kann) dann ist der Erfolg fast schon gesichert, wenn folgende Verhaltensmassregeln nicht gänzlich außer Acht gelassen werden.
(Außerdem darf Max nicht krank sein, nicht zu heftig Husten und sollte eine relativ freie, d.h. fließende Nase haben – dann kann eigentlich gar nichts mehr schief gehen, es sei denn er zahnt gerade oder steht kurz vor oder nach einem Bewusstseinssprung, sprich er hat im Laufe des Tages wieder irgendetwas dazugelernt.)

Hier also die Anwendungstipps vom 25.11.07 24.00 Uhr (gespickt mit Nachträgen aus späteren Tagen), die sich allerdings mit wachsendem Bewusstsein, ergo wachsendem Kind stetig, mitunter täglich verändern können (vor drei Wochen noch war die Vorgehensweise wesentlich einfacher und klarer. Die damals angewandten Verhaltensweisen finden sich aber auch hier wieder, mussten allerdings inzwischen stark modifiziert werden.)

Das Ritual beginnt mit dem „Gute Nacht Sagen“ der engsten Angehörigen. Wenn es geschehen sollte, das diese, weil anderweitig beschäftigt nur ein kurzes, beiläufiges „Gutnach“ in den Raum raunen, sollte dies keinesfalls thematisiert und einfach und ruhig fortgefahren werden. Das gleiche gilt, wenn Max in schierer Verzweiflung über das Verlassen seiner Lieben zu Weinen beginnt.
(Inzwischen allerdings geht er winkend und „Ssühüß“ tirilierend auf dem Arm aus der unteren Wohnung) Dann wird der Umgegend, dem Draußen und allen auf dem Weg nach oben Aufmerksamkeit erregenden Dingen „Gute Nacht“ gesagt.
Auf dem Weg nach oben sollte er sich derweil beruhigt haben und Bereitschaft zeigen, sprich sich an die Schulter lehnen und seine ganze Schwere auf den ihn tragenden Körper fallen lassen. Tut er das noch nicht, tut man gut daran, irgendwelche sinnhaften oder auch sinnlosen Tätigkeiten zu vollziehen, wie z. B. die Heizung im Kinderzimmer anzudrehen und Pauls Schlafanzug draufzulegen, seine Wärmflasche zu füllen, die Betten vorzubereiten oder sonstiges. Dabei hilft - stetiges Erklären, was man da gerade tut, singen eintöniger Lieder oder einfach schweres Atmen - Max dabei in die entsprechende Stimmung zu gelangen.

Variante I : Max sagt „Gute Nacht“ vor dem Wickeln und in den Schlafanzug steigen, dann wird nach der Verrichtung das Wickelwasser ins Bad gebracht, die Vorhänge zugezogen, das Licht auf Nacht eingestellt und das Bett gerichtet.
(Diese handwerklichen Verrichtungen bringen einerseits Eintönigkeit in den Wahrnehmungsbereich des Kleinen und lassen ihn an andere Dinge als an Protest denken, denn da werden ja „gewichtige“ Dinge getan ( ich habe schon mal Max damit in den Schlaf gearbeitet, dass ich den Herd, bzw. seine Ceranfeldplatten mit Inbrunst und meditativer Realitätsabstinenz mit Stahlbürste und Scheuermilch reinigte, aber damals lag er noch im Tuch und beide Hände waren frei)).
Andererseits sind das Aufdecken der Bettdecke und der Lichteinfall im Zimmer für Hinlegen und Aus-dem-Zimmer-schleichen von großer Wichtigkeit – wenn ich beim Hinlegen wühlen muss ist der richtige Zeitpunkt meisten verpasst, wenn nicht genügend Licht im Zimmer ist, ich seine Augen nicht sehen kann, wird es mir schwer fallen zu entscheiden, wann ich mich verabschieden kann).

Variante II Du hast ihn ins Bett gebracht und er hat die Wachheit seines Bewusstseins nach oben gekehrt und dich mit seinen Entdeckungen im Dämmerlicht des Schlafzimmers unterhalten.
Dann nehme ich ihn wieder mit nach oben, zeige ihm auf dem Weg wie schwer mir dieser Weg selber fällt und freue mich geradezu auf die Minuten die ich bei ihm liegen und mich ausruhen kann. Dabei murmele, summe oder salbadere beruhigend und wie gesagt voll Vorfreude.

Dann wird direkt gesungen und gewiegt.
Zeigt er Einschlafwillen (so rum interpretiere ich dann einfach sein Bemühen die Augen offen zu halten) kommt es auf den richtigen Zeitpunkt an ihn hinzulegen. Halt, da fehlt noch was, genaugenommen zweierlei.

Halten:
Der rechte Arm geht unter Kopf und Schulter, der linke Arm unter die Hüfte oder besser noch, die Oberschenkel.
Er liegt so auf seiner linken Seite, meiner Brust zugewandt und ich kann ihm immer mal wieder einen Kuss auf die Stirn geben. Während des Liedes sollte der Kopf immer mal wieder nach unten fallen dürfen, bzw. die Beine nach oben gezogen werden – dann stellt sich die Schwere der Augen schneller ein. Der nach unten weisende, wiegende Rhythmus mit nicht zu kleiner Amplitude, sollte aber nicht zu lange unterbrochen werden.
(Sonderfall: sollte er zu diesem Zeitpunkt immer noch weinen oder protestieren, hilft es den ganzen Max beim nach unten Wiegen etwas nach vorne fallen zu lassen und wieder aufzufangen, wobei der Kopf nicht hin und her schaukeln sollte.)




Singen:
Mein Lied hat drei Strophen, die ich mit gesummten Wiederholungen spicke. Vor und nach der letzten Strophe singe ich die zweite Stimme der Spieluhr, das gibt ihm den Rest, das macht ihn fertig, da kann er dann nicht mehr wiederstehen. Der Text ist: br>
Maxilein
Schlaf schön ein
Morgen ist ein neuer Tag
Morgen dann
Sag ich dir
Wieder wie doll ich dich mag

Maxilein
Oh wie fein
Ist das Leben mit dir
Erst durch dich
Können wir
Sagen wir sind vier

Max wie nett
Ist´s im Bett
Mach die Augen zu
Wenn du schläfst
Kommen auch
All die anderen zur Ruh

Je nach eigener Stimmungslage wird auch mal eine neue Strophe eingeflochten, vielleicht weil etwas besonderes am Tag passiert ist oder mir gerade ein Reim auf Cora einfällt. Im Kern kehre ich aber immer wieder zu den aufgeführten drei Strophen. Ich denke nicht das der Text irgendeine relevante Rolle für Max spielt. Er sei hier nur aus purer Eitelkeit und Spiellaune und um die Anleitung zu verlängern aufgeführt.

Dann lege ich Max hin. Wie gesagt, der Zeitpunkt ist wichtig, ist er zu wach, meldet er sich umgehend nach Spüren der Bettwäsche und das ganze Spiel sollte schnell wieder von vorn beginnen.
Ist er schon zu tief im Schlaf wird er nach 30 – 60 Sekunden wach, merkt was mit ihm geschah und kontert mit „Arm, Arm“ gefolgt von heftigem Weinen.
Passe ich dagegen die richtige Zeit ab, öffnet er kurz die Augen (da kann es dann hilfreich sein, die Hand unter das Kissen zu schieben und den Kopf sanft hin und her oder auch auf und nieder zu schaukeln, so er denn noch einen Tacken zu wach ist. Eine zweite Möglichkeit ist, ihn als Ganzes zurechtzurücken und zärtlich zu schuckeln) und vergewissert sich, dass er nicht allein ist, schließt sie wieder und rapt sich dann selbst immer tiefer in den Schlaf.
Hier beginnt die letzte sensible Phase des Schlafengehens:
Je nach Stimmung und Wachheit, Bedürfnis nach Nähe und Wärme kann diese Zeit die Schlimmste des Einschlafrituals oder aber auch die bequemste desselben sein.
Bequem wird es wenn er in ruhiges Atmen verfällt und ich den um ihn gelegten Arm direkt lösen kann. Dann strecke ich mich selber aus, vermeide direkten Körperkontakt, genieße die Minute Stillstand und mache mich dann auf den möglichst leise vorgetragenen Rückweg.
Unbequem wird es wenn seine Wachsamkeit durch irgendwelche Vorkommnisse des Tages, in der Vorbereitung oder durch eindringende Geräusche von draußen geschärft wurde. Dann werden die Lidstriche seiner geschlossenen Augen immer größer und er nimmt jede Bewegung, jede Veränderung der Helligkeit und jedes Geräusch wahr – öffnet die Augen ganz und reagiert entsprechend nach Stimmung.
Das kann sanft und ruhig sein und ihn kaum aus dem Konzept bringen. Dann warte ich ein bisschen, genieße halt etwas länger und bald wird er schlafen.
Das kann aber auch zu weitergehenden Forderungen nach Nähe und Bezogenheit führen, die eine Wiederholung ab dem getragenen Vorsingen nötig machen können.
Dies zu verhindern gibt es diverse Handhabungen wie, über den Nasenrücken streichen, seinen Kopf auf die geöffnete Hand zu legen, mit der eigenen Nase sein Gesicht streicheln, die bewährteste und erfolgversprechendste Methode ist allerdings, sich selbst in den Schlaf fallen zu lassen wobei gilt: je tiefer ich mich fallen lasse, je eher der Erfolg.
(In den letzten Tagen ist Max wieder gesund und munter. Und er schläft auf seiner eigenen Matratze ein. Seitdem kann ich mehr und mehr von dem eigenen Liegen Abstand nehmen –)

II Sonderfälle

(Vor drei Wochen war hier Schluß jetzt kommen die Sonderfälle)

  1. die Ausnahmen
    a. Das Wegschleichen gelingt nicht
    b. Max ist selbst nicht sicher
    c. Vollmond
    d. Rekonvaleszenz

Die Wirklichkeit sieht sowieso ganz anders aus. Das „Ins Bett bringen“ ist der leichtere Teil der Übung. Das „Im Bett Halten“ die eigentliche Aufgabe.
Nach 2-4 Std. nämlich wird die Schlafphase von Hustenanfällen, nächtlichen Gesichten und unbequemen Lagen quasi abgeschlossen und so die Partyzeit der Nacht eingeläutet.
Nach 11 Uhr sitze ich, schreibe ein bis zwei Sätze und haste dann wieder nach oben, wende mein erworbenes Wissen mit großer Akribie und Hingabe an, lasse Max schlafend und voller Hoffnung zurück, nur um wieder nach zwei Sätzen nach oben zu eilen.
Fakt ist, er will nicht allein sein, schon gar nicht wenn er Mama nicht haben kann.
Im Moment z.B liegt er auf meinem Schoß, ich halte ihn mit der einen und ich tippe mit der anderen Hand... aber jetzt wird er wach ich glaube ich muss ganz schnellllll....

(benötigt eine App für RSS Feeds, z.B. Follower, Feedly, Reeder …)